Jahresrückblick des TBB


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen, Kolleginnen, Mitglieder,
liebe Partnerinnen des TBB,
liebe Medienvertreterinnen,

ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu – wieder ein Jahr geprägt von politischen Ereignissen, wie z.B. den Europawahlen, den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, deren Ergebnisse nun eigentlich alle wachgerüttelt haben müssten. Der immer stärker werdende Rechtsruck stellte uns auch in diesem Jahr vor große Herausforderungen, sowohl politischer als auch gesellschaftlicher Natur. Rassismus in allen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die angespannten politischen Verhältnisse und neue gesetzliche Entwicklungen, wie die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, forderten uns als Organisation und Gesellschaft in erheblichem Maße.

Als Correctiv das Geheimtreffen der Rechtsextremen Anfang des Jahres aufgedeckt hat, erreichten uns Anrufe und Mails von Menschen, die sehr besorgt waren. Sie hatten Angst um die Zukunft ihrer Kinder und dass die Grundlage für eine restriktivere Migrationspolitik der Bundesrepublik geboten wird. Diese Ängste bestehen weiterhin. Bürger*innen unseres Landes haben Angst, noch mehr Ausgrenzungen erfahren zu müssen. Und nun auch Angst um ihre physische Existenz in Deutschland. An dieser Stelle möchten wir zum Ausdruck bringen, dass die darauffolgenden Aktionen gegen Rassismus, die bundesweit unter Beteiligung von Millionen stattgefunden haben, uns in unserer Arbeit motiviert haben und uns darin gestärkt haben, weiterhin konsequent gegen den immer stärker werdenden Rechtsruck vorzugehen. Diese Solidarität muss nun auch im neuen Jahr gestärkt und ausgebaut werden.

Ein Vorbild für den Kampf gegen Rassismus war zweifellos der Menschenrechtsaktivist und Mitgründer der Beratungsstelle ReachOut Biplab Basu, der leider am 14.03.2024 verstorben ist. Biplab war ein sehr geschätzter Kollege und unser Freund. Seine ruhige aber sichere Art, sein Fachwissen, seine Standhaftigkeit beeindruckten und inspirierten uns zutiefst. Sein unermüdlicher Einsatz gegen Racial Profiling bei der Polizei bleibt unvergessen. Wir werden den Kampf gegen Rassismus kompromisslos fortsetzen.

Obwohl immer wieder Nachbesserungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert wurden, ist das vom Bundestag im Januar dieses Jahres verabschiedete neue bzw. geänderte Staatsangehörigkeitsgesetz (StaG) am 27. Juni in Kraft getreten. Dieses neue Staatsangehörigkeitsgesetz bringt zwar einige Erleichterungen wie z.B. die Hinnahme der Mehrstaatigkeit, aber überwiegend leider Verschärfungen. Die Stellungnahme des TBB finden Sie hier: Ein Schritt vorwärts-zwei Schritte zurück- Staatsangehörigkeitsänderungen enttäuschend – TBB-Berlin

In diesen politisch turbulenten Zeiten machte uns die Kampagne der Migrant*innenorganisationen zur Erhöhung der Beteiligung an der Europawahl am 09.Juni 2024 Mut. Der TBB hat sich an dieser zivilgesellschaftlichen Kampagne intensiv beteiligt. TBB-Vertreter*innen waren in unterschiedlichen Berliner Kiezen unterwegs, kamen mit Berliner*innen ins Gespräch und motivierten zur Teilnahme an der Europawahl. Auch wenn das Ergebnis der Wahl ein weiterer Beleg für den Zuwachs an rechten Kräften in ganz Europa darstellt, wird uns das nicht entmutigen. Wir werden alle unsere Kräfte mobilisieren und uns gemeinsam gegen Ausgrenzung, Rassismus und Hass positionieren. Eindrücke aus der von der Beauftragten des Berliner Senats für Partizipation, Integration und Migration geförderten Kampagne finden Sie hier.

Am 18.08.2024 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz volljährig geworden, steckt aber immer noch in den Kinderschuhen, weil die Bundesregierung seit Jahren weigert, dieses für die Antidiskriminierungsarbeit unverzichtbare Gesetz zu reformieren. Der TBB mit seinen vier Antidiskriminierungsprojekten ist mehr als verwundert darüber, wie die Bundesregierung ihr eigenes Versprechen hartnäckig ignoriert hat und insbesondere die Fraktionen der SPD und der Grünen im Bundestag dies stillschweigend geduldet haben.
Presseerklärung vom Bündnis AGG Reform-Jetzt!: Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz wird 18 – Kein Grund zum Feiern! – TBB-Berlin

Am 01.09 2024 haben Thüringen sowie in Sachsen und am 22.09.2024 in Brandenburg Landtagswahlen stattgefunden. Leider haben sich die demokratischen Parteien wieder von der ausgrenzenden und hetzerischen Migrations- und Geflüchtetenpolitik der AfD treiben lassen, sodass die AfD-Wähler*innen sich bestärkt fühlten und das Original gewählt haben. Die Wahlergebnisse in allen drei Bundesländern sind alarmierend und erschreckend. Nach Thüringen hat die AfD auch in Brandenburg eine Sperrminorität im Landesparlament erreicht. Damit kann sie wichtige Entscheidungen blockieren, was sie auch schon öffentlich angekündigt hat. Zuversichtlich stimmt uns, dass nun gelungen ist, zumindest in Thüringen und Brandenburg die demokratischen Parteien gemeinsam die Populisten von der Regierungsbildung ausschließen konnten. Wir erwarten dies auch von den Demokraten in Sachsen.

Die kommende Zeit sollten die demokratischen Parteien nutzen, tiefgreifende Lösungen für die Wohnungsnot, soziale Ungerechtigkeiten, Probleme in der Bildung zu entwickeln. Sie müssen endlich jegliche Versuche, die AfD rechts zu überholen, einstellen. Denn nur dann wird die AfD bei den nächsten Bundestagswahlen keinen bzw. weiniger Erfolg haben. Hier gelangen Sie zu unseren Pressemitteilungen zu den Wahlen in Thüringen und Sachsen sowie zu den Landtagswahlen in Brandenburg.

Insbesondere in solchen düsteren Zeiten erfreut uns die Würdigung von engagierten Bürger*innen umso mehr. Aus diesem Grund bedeutet die Auszeichnung unserer Vorstandssprecherin Ayşe Demir mit dem Berliner Hauptpreis des Bandes für Mut und Verständigung am 05.9.2024 in der Senatskanzlei Brandenburg für uns, aber auch für alle anderen Engagierten Motivation und Stärkung in der Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
“Ayşe Demir aus Berlin wird in Anerkennung ihres beeindruckenden, langjährigen, leidenschaftlichen und vielfältigen Einsatzes gegen Rassismus, wegen ihres Mutes und ihrer Hartnäckigkeit, Probleme klar anzusprechen und gleichzeitig Brücken zu bauen sowie ihrer begeisternden Art, Menschen für Ideen und Projekte zu inspirieren, ausgezeichnet.” Ayşe Demir, Vorstandssprecherin des TBB, wurde gestern (5. September 2024) in der Staatskanzlei Brandenburg mit dem länderübergreifenden „Band für Mut und Verständigung“ ausgezeichnet.

Leider ist unsere Demokratie trotz dieser erfreulichen Würdigungen ernsthaft in Gefahr; die physische Existenz der migrantischen Communities und eines Teils der Mehrheitsdeutschen, die sich den Rassisten in den Weg stellen, ist in Gefahr. Das geplante Landesdemokratiegesetz in Berlin ist nun unverzichtbar. Denn mit diesem Gesetz kann die Demokratie und die Zivilgesellschaft geschützt werden. Zur unserer Pressemitteilung zu der am 24.09.2024 vorgestellten Expertise in Vorbereitung eines Landesdemokratiegesetzes gelangen Sie hier: Pressemitteilung: Zu der „Expertise in Vorbereitung eines Landesdemokratiefördergesetzes“

Der TBB nimmt über seine Projektarbeit immer wieder Hinweise aus dem diskriminierenden Alltag wahr und trägt wichtige neue Themen in die breite Öffentlichkeit und macht sie sichtbar.

In diesem Zusammenhang widmete sich die Fachtagung „Diskriminierung.Macht.Krank: Rassismus im Gesundheitswesen“ des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin (ADNB) des TBB in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung am 17.09.2024 dem Thema rassistische Diskriminierung im Gesundheitswesen und eröffnete Einblicke sowie Erkenntnisse aus Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft. Mehr zum Fachtag: adnb.de/de/Aktuelles/Fachtag/

Gerade in den Zeiten, in denen Diskriminierung und Rassismus Hochkonjunktur haben motivieren uns Erfolge, die wie durch unsere Antidiskriminierungsarbeit erreichen: In einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht Berlin das Verhalten eines landeseigenen Wohnungsunternehmens gegenüber einer Person mit Behinderung als diskriminierend befunden und es zur Zahlung von 11.000 € Entschädigung verurteilt. Dieser Fall wurde von der Fachstelle FairMieten – FairWohnen seit zwei Jahren begleitet. Gemeinsam mit unserer Kooperationspartner ASUM GmbH haben wir dieses rechtskräftige Urteil am 25.10.2024 in einem Pressegespräch besprochen:
https://fairmieten-fairwohnen.de/aktuelle-meldungen/

Die Landeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (LKMO) 2024, die dieses Jahr das sechste Mal, aber das erste Mal in einem anderen Format (BarCamp) zweitägig am 07. und 08 Dezember 2024 unter dem Motto „Mehr als Vielfalt: Kompetenzen – Inhalte – Visionen“ stattfand, war ein weiteres politisches und gesellschaftliches Highlight, bei dessen Realisierung wieder viele Migrant*innenorganisationen aktiv mitgewirkt haben. Die Landeskonferenz wurde im Rahmen unseres Projektes Berliner Zentrum für Kooperation und Partizipation (KoPa) durchgeführt. Zentrale Forderungen der LKMO 2024 waren die Förderung der Projekte der Migrant*innenorganisationen durch die Fachverwaltungen und nicht nur durch die Integrationsverwaltung sowie die Anerkennung und Förderung der Migrant*innenorganisationen analog der Wohlfahrtsorganisationen.

Eine weitere Veranstaltung war im Rahmen unserer Projektarbeit die Kick-Off-Veranstaltung am 4. Dezember 2024 von unserem Projekt “Meine Familie – Queers in der Migrationsgesellschaft. Sie diente der Vorstellung der Interviewreihe „Queers in der Migrationsgesellschaft“ und des Online-Archivs.

Leider hat die Diskussion über die Haushaltskürzungen in Berlin uns sowie die Zivilgesellschaft in den letzten Monaten des Jahres sehr beschäftigt und negativ beeinflusst. Auch wenn die landesgeförderten Projekte des TBB bis auf den Bereich Verbraucherschutz derzeit nicht gefährdet zu sein scheinen, solidarisiert sich der TBB mit den zivilgesellschaftlichen Trägern, die möglicherweise sogar von der Schließung bedroht sind. Daher hat sich der TBB am 05. Dezember 2024 an der großen Protestkundgebung vor dem Berliner Abgeordnetenhaus beteiligt.

2024 war zweifellos ein Jahr der Herausforderungen, aber auch ein Jahr der Solidarität, der Zusammenarbeit und der Erfolge. Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartner*innen durch unsere politische Arbeit, öffentlichen Stellungnahmen und Projekten dazu beitragen konnten, eine gerechte und solidarische Gesellschaft zu fördern. Wir danken allen, die uns bei dieser wichtigen Arbeit unterstützt haben und blicken mit Zuversicht und Entschlossenheit auf das kommende Jahr.

Nun steht möglicherweise am 23. Februar 2024 die vorgezogene Bundestagswahl an. Diese Wahl wird ein Prüfstein für die Zukunft der Demokratie in der Bundesrepublik sein. Der TBB wird auch in der Phase des Wahlkampfs seinen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten. Es deuten sich leider Hinweise an, dass auch einige türkeistämmige Wähler*innen bzw. Migrant*innen dazu neigen, rechtsextreme und rassistische Positionen zu wählen. Der TBB wird durch eine massive Kampagne in der migrantischen Community das wahre, sozial kalte, menschenfeindliche Gesicht des Rechtsextremismus entlarven.

Abschließend möchten wir unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass der TBB mit der Mitgliedschaft von drei Vereinen einen wichtigen Zuwachs bekommen hat:

  • Berlin Eski Dostlar Korosu e.V.
  • Gönülden Gönüllere Şiir ve Müzik Grubu Berlin e.V.
  • S.C. Banzai e.V.

An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Willkommen in der TBB-Familie.

Bevor wir uns für dieses Jahr von Ihnen/Euch verabschieden noch ein Appell an uns und die Politik: Rassismus weist in der Bundesrepublik eine Kontinuität auf, die sich schon seit Jahren und Jahrzehnten fortsetzt. Dies mehr als besorgniserregende Entwicklung kann nur aufgebrochen werden, wenn der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung ein fester Bestandteil unseres Alltags wird. Wir müssen uns an jedem Ort und zu jeder Zeit für eine weltoffene, vielfältige und solidarische Gesellschaft einsetzen. Und die Politik muss sich endlich für eine breitere und konsequente Auseinandersetzung mit rassistischen und rechtsextremen Einstellungen in den Behörden und in der Gesellschaft einsetzen.

Damit wären wir auch am Ende unseres Jahresrückblickes angekommen.

Der TBB möchte sich bei allen Wegbegleiter*innen sowie Freundinnen und Freunden für die gute Zusammenarbeit bedanken und wünscht besinnliche Feiertage sowie