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Acht Jahre nach dem öffentlichen Bekanntwerden der NSU-Verbrechen – weiterhin mehr Fragen als Antworten

Anlässlich des achten Jahrestages des öffentlichen Bekanntwerdens der NSU-Mord- und Terrorserie erklärte der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB):
Vor genau acht Jahren – am 04. November 2011 – wurde der Nationalsozialistische Untergrund und damit seine grausamen Verbrechen öffentlich bekannt. Wenige Monate später versprach Bundeskanzlerin Merkel den Angehörigen der Opfer, die jahrelang durch die einseitigen Ermittlungen in Richtung Ausländerkriminalität gedanklich zu Mittäter*innen gemacht wurden, eine lückenlose Aufklärung „mit allen Helfershelfern und Hintermännern“. Dieses Versprechen wurde nicht eingehalten.

„Ganz im Gegenteil: Acht Jahre nach dem Bekanntwerden der Verbrechen gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten – insbesondere was die Verantwortung staatlicher Stellen im NSU-Komplex anbelangt“, sagte Ayşe Demir, Vorstandssprecherin des TBB.

Mit dem NSU-Strafprozess, der im Juli 2018 endete, würden die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrundes als Taten von fünf Personen abgehakt, so der TBB in seiner Erklärung. Der Mordfall Walter Lübcke zeige erneut, wie verstrickt der NSU-Komplex sei und welche Qualität und welchen Ausmaß rechtsterroristische Strukturen in der Bundesrepublik haben. „Auch, wenn für den Mordfall Lübcke ein Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag eingerichtet wird, wissen wir, dass die Untersuchungsausschüsse zwar bemüht, aber da deren Befugnisse eingeschränkt sind, und sie letztendlich wirkungslos sind.“

„Aus diesem Grund ist keine lückenlose Aufklärung der Taten und deren Zusammenhänge zu erwarten“, so Demir. Stattdessen seien immer wieder neue Erkenntnisse über die Verstrickung der Sicherheitsbehörden mit den rechtsextremistischen Strukturen publik geworden, wie z.B. die Morddrohungen des NSU 2.0 gegenüber der Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, deren Adresse offensichtlich durch die Polizisten aus einer Frankfurter Wache weitergereicht wurde. Ebenfalls habe ein Soldat, der rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr angezeigt hatte, die Armee verlassen müssen, anstatt die Bundeswehr den angezeigten Fällen ernsthaft nachging.
Daher fordert der TBB erneut die Einrichtung einer unabhängigen Kommission, die insbesondere die Zusammenhänge zwischen Rechtsterrorismus und den Geheimdiensten aufklären soll. „Nur durch eine uneingeschränkte öffentliche Aufarbeitung der Geschehnisse kann das verloren gegangene Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederhergestellt werden. Unabdingbar ist zudem eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit rassistischen und menschenverachtenden Einstellungen in der Gesellschaft und in den Behörden“, so Ayşe Demir abschließend.

In Gedenken an:
Enver Simsek (38 Jahre), 9. September 2000, Nürnberg
Abdurrahim Özüdoğru (49 Jahre), 13. Juni 2001, Nürnberg
Süleyman Taşköprü (31 Jahre), 27. Juni 2001, Hamburg
Habil Kılıç (38 Jahre)29. August 2001, München
Mehmet Turgut (25 Jahre), 25. Februar 2004, Rostock
İsmail Yaşar (50 Jahre), 9. Juni 2005, Nürnberg
Theodoros Boulgarides (41 Jahre), 15. Juni 2005, München
Mehmet Kubaşık (39 Jahre), 4. April 2006, Dortmund
Halit Yozgat (21 Jahre), 6. April 2006, Kassel
Michèle Kiesewetter (22 Jahre), 25. April 2007, Heilbronn