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5 Jahre nach der zufälligen Aufdeckung der NSU-Morde: Mehr Fragen als Antworten

Am 4. November 2011 begingen die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard mutmaßlich Suizid. Ihnen wird vorgeworfen, in den Jahren 2000 bis 2006 in verschiedenen deutschen Städten aus offensichtlich rassistischen Motiven neun Migranten und eine Polizistin ermordet und einen Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln verübt zu haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf einer zentralen Gedenkfeier im Konzerthaus Berlin am 23. Februar 2012 die Familien um Verzeihung gebeten und eine lückenlose Aufklärung zugesagt: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.“ (Homepage der Bundesregierung)

Ein Rückblick erweckt allerding den Eindruck, dass mehr Fragen aufgeworfen wurden, als Antworten gegeben.

Mehr als einmal ist die Vernichtung von Akten bekannt geworden, die nicht immer „zufällig“ geschreddert worden sind.

Laut Medien soll die Bundesanwaltschaft noch im November 2014 die Vernichtung von Asservaten veranlasst haben, obwohl die Dokumente eine Schlüsselfigur im NSU-Verfahren betreffen und sie vom Bundeskriminalamt noch nicht ausgewertet worden waren.

Die Nebenklägeranwält*innen forderten seit Prozessbeginn eine Ausweitung des Verfahrens – vergebens. Sie kritisieren die Zurückhaltung von Akten über das Verfahren gegen unbekannt, insgesamt die intransparente Verfahrungsführung des Generalbundesanwalts.

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses im Bundestag, Clemens Binninger (CDU), erklärt in einem Zeitungsinterview, er sei “zutiefst davon überzeugt”, dass der NSU nicht nur aus drei Leuten bestanden habe und dass es
neben angeklagten Helfern und Unterstützern auch Mittäter gegeben habe. Und: Er teile die Auffassung der Bundesanwaltschaft nicht, “dass alle 27 Straftaten
(…) nur von den beiden Männern begangenen wurden”. (Tagesspiegel Online 05.09.2016 10:08 Uhr)

Diese gravierenden Aussagen des Vorsitzenden des NSU-Ausschusses des Deutschen Bundestages blieben eine Pressemeldung unter anderen.

Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg forderte daraufhin Bundesjustizminister Heiko Maas auf, Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank (gemäß § 147 Nr. 1 GerichtsVerfahrensgesetz) anzuweisen, das Verfahren entsprechend auszuweiten. In einem Brief an alle Mitglieder den NSU-Ausschusses im Bundestag forderte der TBB, durch einen Beschluss Bundesjustizminister Heiko Maas hierzu aufzufordern – bislang ohne Reaktion.

Lange Zeit wurden Migrant*innen der Tat verdächtigt, sogar die Familienangehörigen der Opfer. Zitate aus den Akten der Ermittlungsbehörden:

„Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischsprachige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben. Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Ehrenkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw. südosteuropäischen Raum (nicht europäisch westlicher Hintergrund).“ (….) „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“ (Aussage des LKA Baden-Württemberg zur Operativen Fallanalyse im Endbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Seite 878)

Die NSU-Mordserie hat bereits das Vertrauen – nicht nur der Migrantencommunities – in die Sicherheitsbehörden empfindlich gestört. Jetzt sollte zumindest die Justiz alles tun, um alle Hintergründe aufzuklären.