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Internationaler Tag der Demokratie: Wo bleibt das Demokratiefördergesetz

Gemeinsame Pressemitteilung von Zentrum für Diversitätskompetent, Migrationsrat, TBB und Verein für Demokratische Kultur in Berlin – Initiative für urbane Demokratieentwicklung e.V.


Im Jahr 2020 hat das Land Berlin den Internationalen Tag der Demokratie erstmals von der
Berliner Zivilgesellschaft ausrichten lassen. Auch in diesem Jahr soll der Demokratietag wie
der gefeiert werden: Mittlerweile gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und gesell
schaftlichen Zusammenhalt.
Zum Feiern ist uns allerdings wenig zumute, dank wachsender Sorge: Wo bleibt das verspro
chene Berliner Demokratiefördergesetz? Warum wird sich die Koalition nicht einig? Im Koali
tionsvertrag als Meilenstein zur Stärkung der Zivilgesellschaft und zur Absicherung demokrati
schen Grundwerte angekündigt, ist der Prozess seit Monaten ins Stocken geraten. Statt eines
versprochenen Eckpunktepapiers1 gab es vage Ankündigungen und schließlich erweckten
Presseberichte den Anschein, die größere Koalitionspartnerin CDU befinde sich in Blockade
haltung2. Das monatelange Hinauszögern ist der Zivilgesellschaft nicht länger zuzumuten –
insbesondere in Zeiten massiver sozialer Einschnitte.
Angriffe auf demokratische Werte, auf Engagierte und auf marginalisierte Gruppen nehmen
zu. Vor diesem Hintergrund ist ein solches Gesetz keine politische Option, sondern eine
dringende Notwendigkeit. Die Koalition muss beweisen, dass sie es mit ihrem im Koalitions
vertrag gegebenen Versprechen zur Stärkung der Demokratie ernst meint. Wir nehmen sie
beim Wort und fordern die unverzügliche Vorlage eines Gesetzesentwurfs, der dem Begriff
der Demokratieförderung gerecht wird. Wir sind – wie seit Jahren – bereit, unser Wissen,
unsere Erfahrungen und unsere Expertise in der Diskussion einzubringen. Eine Anhörung der
Verbände ist bei einem solch komplexen Thema unerlässlich.
Aus unserer Sicht muss ein wirksames Demokratiefördergesetz für Berlin folgende Mindest
standards erfüllen, die sich zwingend aus dem Anspruch einer resilienten Demokratie erge
ben:

1. Die Demokratie muss auch innerhalb der Verwaltung verteidigt werden

Ein Demokratiefördergesetz muss selbstverständlich alle Verwaltungen in die Verantwortung
nehmen. Demokratie und der Schutz vor Diskriminierung sind Querschnittsaufgaben, die je
den Bereich des staatlichen und des gesellschaftlichen Lebens betreffen. Die gerade auch in
der Berliner Kürzungs- und Streichpolitik erkennbare Tendenz, Querschnittsaufgaben rückzubauen und in die Verantwortung einzelner Verwaltungen zu übergeben, lehnen wir vehement ab (vgl. Streichung von Antidiskriminierungs-Projekten im Bildungshaushalt und die behelfsmäßige Übernahme durch die Antidiskriminierungsverwaltung).

Ein wirksames Demokratiefördergesetz muss mit einem klaren, an bestehenden Ge
setzen orientierten Maßnahmenpaket unterlegt werden. Dieses Paket muss mit den ein
schlägigen rechtlichen Instrumenten (LGG, LADG, PartMigG, LGBG) und weiteren Strategien
zum Diskriminierungsschutz sowie zur Förderung von Diversität abgestimmt sein. Die Koaliti
onspartnerinnen sind gemeinsam in der Pflicht, einen kohärenten Rechtsrahmen zu schaffen,
der über reine Symbolpolitik hinausgeht und sicherstellt, dass Antidiskriminierung und Teil
habe tatsächlich in allen Verwaltungs- und Gesellschaftsbereichen verankert werden.

1*Berlin als erstes Bundesland auf dem Weg zu einem eigenen Landesdemokratiefördergesetz – erste Eckpunkte stehen fest. (n.d.). Berlin.de. URL: https://tinyurl.com/4eckyrkb. Zugriff am 10.09.2025; Thewalt, A. (2024). Zur Stärkung der Zivilgesellschaft: Senat will Eckpunkte für Berliner Demokratiefördergesetz im September beschließen. Tagespiegel. URL: https://tinyurl.com/3musv6ht. Zugriff am 10.09.2025.
2*Fahrun, J. (2025). Demokratieförderung: SPD-Fraktionschef macht Druck auf Senat. Berliner Morgenpost. URL: https://tinyurl.com/mtb8an47. Zugriff am 10.09.2025.

2. Die Demokratie muss auch innerhalb der Verwaltung verteidigt werden

Eine resiliente Demokratie beginnt in ihren eigenen Institutionen. Die Berliner Verwaltung muss ein Ort sein, der die demokratischen Werte aktiv lebt und verteidigt. Dazu gehören ver bindliche und regelmäßige Schulungen von Mitarbeitenden zu Antidiskriminierung, Diversität und Demokratiefeindlichkeit. Ebenso braucht es Strukturen, die Demokratiekompetenz dauer haft verankern, etwa durch diskriminierungskritische Organisationsentwicklungsprozesse und eine Demokratisierungs- und Antidiskriminierungsstrategie. Diese muss von Demokratiebeauftragten mit klaren Aufgaben und ausreichenden Ressourcen koordiniert und von den jeweiligen Abteilungen in den jeweiligen Verwaltungen umgesetzt werden. Unterstützt werden muss diese durch bereits bestehende Gleichstellungs- und Partizipationsstrukturen (PartMigG, LGG).

Genauso wichtig ist die demokratische Integrität im öffentlichen Dienst: Beschäftigte der Verwaltung müssen einer klaren Verpflichtung zur Bekämpfung rechtsextremer, rassistischer oder anderer menschenfeindlichen Haltungen abgeben. Demokratiefeindliche Haltungen und Aussagen dürfen nicht toleriert werden oder unter dem Deckmantel vermeintlicher „Neutralität“ den Ausbau von Repräsentation und Teilhabe aufhalten. Dazu braucht es verbindliche Vorgaben für Auswahlverfahren und dienstrechtliche Maßnahmen, die demokratiefeindliche Einstellungen ausschließen bzw. sanktionieren. Schließlich muss sichergestellt sein, dass die Zivilgesellschaft politisch frei partizipieren kann, ohne politische Willkür befürchten zu müssen. Ein Demokratiefördergesetz muss hierfür die notwendigen Instrumente schaffen.

3. Finanzielle Absicherung statt politischer Willkür

Die wertvolle Arbeit der zivilgesellschaftlichen Träger in der Demokratieförderung, Antidiskriminierungsarbeit und Beratung leidet seit Jahren unter unsicherer Projektfinanzierung. Kurzfristige Förderperioden und die ständige Gefahr von Mittelkürzungen verhindern nachhaltige Strukturen. Wer die Demokratie stärken will, kann nicht gleichzeitig ihre wichtigsten Akteur*innen in der Zivilgesellschaft schwächen. Um eine bedürfnisgerechte Demokratieförderung (aus-)zugestalten, sind ausreichend Ressourcen im Landeshaushalt mit entsprechendem Haushaltstitel vorzusehen. Das Land Berlin muss die angemessene Finanzierung für die im Gesetz festgelegten Ziele und Maßnahmen auch durch mehrjährige Verpflichtungsermächtigungen sicherstellen.


Ein Gesetz für die Demokratie braucht einen demokratischen Prozess: Amtliche Anhörung der Verbände jetzt!


Ein Gesetz, das die Demokratie fördern soll, kann nicht hinter verschlossenen Türen entste
hen. Die Expertise, die Praxiserfahrung und die Perspektiven der unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich tagtäglich für Demokratie, Menschenrechte und Teilhabe einsetzen, sind für diesen Prozess unverzichtbar.


Wir fordern den Senat nachdrücklich auf, die längst überfällige Verbändeanhörung zu einem
Gesetzesentwurf umgehend einzuleiten. Die Zivilgesellschaft steht bereit. Es ist höchste Zeit,
dass die Koalition ihr Versprechen einlöst und ein starkes, umfassendes und nachhaltiges De
mokratiefördergesetz auf den Weg bringt.
Das im September 2023 veröffentlichte Positionspapier finden Sie hier.