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Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts: historische Chance nicht verpassen!

Kundgebung am Donnerstag, den 30.11.2023 – 10 Uhr, am Brandenburger Tor/Pariser Platz

Mitglieder des Bündnisses „Pass(t) uns allen”  fordern anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts am Donnerstag die Abgeordneten auf, die zahlreichen Einschränkungen in dem Entwurf zurückzunehmen. Das Recht auf Einbürgerung muss an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen Migrationsgesellschaft angepasst werden.

Anlässlich der Lesung des Gesetzentwurfs ruft das Bündnis zu einer Kundgebung auf.

Safter Çınar, Sprecher des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg: „Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist im Ergebnis enttäuschend.

Es ist richtig, dass eine jahrzehntelange Forderung der migrantischen Verbände nun ins Gesetz aufgenommen werden soll:

Die Mehrstaatigkeit, der sog. Doppelpass, soll auch für Bürger:innen von (nicht EU-) Drittstaaten möglich seine,

und

wer nach der Einbürgerung nur die deutsche Staatsbürgerschaft hat, kann in die ursprüngliche Staatsbürgerschaft zurück, ohne die deutsche zu verlieren.

Beides sehr gut und wichtig, ABER:

Die Einführung der Mehrstaatigkeit als Regelfall (und die Verkürzung der Aufenthaltsdauer) nützen wenig, wenn die Einbürgerungskriterien massiv verschärft werden, für Arbeitslose keine Einbürgerungserleichterungen gibt.

Die Sprach und Gesellschaftskunde Tests, die eigentlich abgeschafft gehören, sollen sogar verschärft werden.

Es soll eine „Gesinnungspolizei“ eingeführt werden, die prüfen soll, ob der Mensch die deutschen Werte schätzt und Frauen respektiert. „

„Die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist ein lange überfälliger Schritt, den wir begrüßen. Jedoch geht der Gesetzentwurf an vielen Stellen an der Lebensrealität vieler Menschen und an der Behördenpraxis vorbei. Die Abgeordnete haben jetzt die Aufgabe, die unnötigen Hürden in dem Entwurf zu beseitigen, damit das Gesetz tatsächlich seinem selbst gesteckten Ziel einer echten Modernisierung gerecht wird“,sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

„Das Bündnis ‚Pass(t) uns allen‘ fordert, die historische Gelegenheit zu nutzen, das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren nachzubessern und an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen Migrationsgesellschaft anzupassen. Dazu gehört neben der Rücknahme der vorgesehenen Verschärfungen und der Möglichkeit, mehrfache Staatsangehörigkeiten zu besitzen, eine unbürokratische Einbürgerung für alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben sowie ein uneingeschränktes ius soli“, erklärt Olga Gerstenberger, Geschäftsführerin von With Wings and Roots e.V. und Koordinatorin des Bündnisses.

Einschränkungen – zu viele bleiben außen vor

Konkret kritisiert das Bündnis, dass mit dem neuen Gesetz nun auch Personen, die unverschuldet in die Lage geraten sind, ihren Lebensunterhalt nicht sichern zu können – wie zum Beispiel viele Alleinerziehende, Rentner*innen, Menschen mit Behinderungen und ihre pflegenden Angehörigen – das Recht auf Einbürgerung vorenthalten wird. Durch diese Änderung wird eine Anspruchsregelung durch eine Härtefallregelung ersetzt, die absehbar nur in wenigen Fällen greifen wird.

Von unnötiger Härte zeugt zudem, dass an der Passbeschaffungspflicht für die Einbürgerung festgehalten wird, ohne gesetzliche Alternativen zu ermöglichen. So werden Staatsbürger*innen aus autokratischen Staaten, wie zum Beispiel Syrien oder Iran, weiterhin dazu gezwungen, in die Botschaft ihres Verfolgerstaates zu gehen, um dort den Pass zu beantragen.

Das Bündnis ist zudem enttäuscht, dass der Gesetzentwurf Staatenlose und langjährig Geduldete nach wie vor nicht berücksichtigt. Ihr Status wird in den meisten Fällen an die Kinder vererbt. So bleiben Tausende Kinder, die hier geboren werden, weiterhin von  der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen. 

Verbesserungen – richtige Richtung, aber unzureichend

Das Bündnis begrüßt die in dem Entwurf enthaltenen substantiellen Verbesserungen für zugewanderte Menschen. So sollen zukünftig alle Einbürgerungsbewerber*innen die Möglichkeit haben, ihre bisherige Staatsangehörigkeit neben der deutschen beizubehalten. Außerdem werden sinnvollerweise die für eine Einbürgerung notwendigen Voraufenthaltszeiten auf fünf bis drei Jahre verkürzt (bisher galt acht bis sechs Jahre).

Kundgebung

Anwesende

  • zahlreiche Nichtregierungsorganisationen wie PRO ASYL, Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., RomaniPhen/Bundes Roma Verband e.V ., Statefree e.V. Migrationsrat Berlin e.V., Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg, Polnischer Sozialrat, With Wings and Roots e.V., MigLoom e.V. 
  • eingeladene Abgeordnete des deutschen Bundestags
  • Zum Abschluss schildern Rezan Shekh Muslim, Mitglied der Selbstvertretungsgruppe NOW! Nicht ohne das Wir und Karsten Dietze, Handicap International e.V., die Auswirkungen des Gesetzentwurfs auf Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige.