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Pressemitteilung: CDU-SPD-Koalitionsvereinbarung: Migrations- und antidiskriminierungspolitisch akzeptabel

05.04.2023

CDU-SPD-Koalitionsvereinbarung: Migrations- und antidiskriminierungspolitisch akzeptabel

Der Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) hat die migrationspolitischen Teile der Schwarz-Roten-Koalitionsvereinbarung begrüßt.

TBB-Sprecher Safter Çınar: „Der neue Senat führt die Politik der Vorgängersenate fort und erweitert diese sogar in einigen Punkten, dies ist zu begrüßen -insbesondere das Bekenntnis zu Berlin als ‚Stadt der Vielfalt‘.“

Zu begrüßen sei auch, dass die Koalitionsparteien den Rechtsextremismusderzeit als „die größte Gefahr für unsere Demokratie“ betrachten. Insbesondere müssten mögliche rechtsextremistische Tendenzen und Aktivitäten im Staatsdienst verfolgt und sanktioniert werden, so der TBB.

Nicht hinnehmbar sei die faktische Bestätigung/Weiterführung des „Racial Profiling“: Der Koalitionsvertrag erkläre die verhaltensbezogenen Kontrollen aufgrund kriminalistischer oder polizeilicher Erfahrungswerte ausdrücklich zulässig, verschleiert allerdings das Verbot der Racial Profiling hinter der diplomatischen Formulierung,“ die Kontrollen erfolgen unter Beobachtung der verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote„.

„Hier sollten sich die Koalitionäre einer klaren und eindeutigen Sprache bedienen und das von Gerichten als unzulässig erklärte Racial Profiling ausdrücklich verbieten, so Çınar.

„Wir hoffen, dass die positiven Punkte der Vereinbarung auch zügig umgesetzt und unsere Vorschläge Berücksichtigung finden,“ sagte Çınar abschließend.


Zu den einzelnen Punkten der Koalitionsvereinbarung:

  • Stellenbedarfe der Integrationsbeauftragten-Bürosin den Bezirken: Der:die bezirklichen Integrationsbeauftragten müssen mit voller Stelle ausschließlich für diesen Bereich zuständig sein und mit entsprechender Zahl von Mitarbeiter:innen sowie Finanzen ausgestattet werden.
  • Islamisches Begräbnis: Sehr zu begrüßen ist die Absicht, Bestattungen unter 48 Stunden zu ermöglichen und neue Grabflächen für Muslime:Muslima zu schaffen.
  • Aufbau eines Migrationsmuseums und Dokumentationszentrums: Hier sollte unbedingt die Zusammenarbeit mit DOMiT – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland gesucht werden.
  • Antidiskriminierung: Der TBB bietet seine Mitarbeit in der vorgesehenen Enquete-Kommission gegen Rassismus und Diskriminierung an.
  • Den TBB irritiert allerdings die erstaunlich kurze Abhandlung des Bereiches “Antidiskriminierung”. In der Zeit der beiden vorangegangenen Koalitionen wurde ein breites Netz von Antidiskriminierungsprojekten aufgebaut und gefördert sowie eine Gesamtstrategie der Antidiskriminierungsarbeit entwickelt. Wir vermissen in der vorliegenden Koalitionsvereinbarung ein eindeutiges Bekenntnis zu den Projekten und gehen davon aus, dass dies in den Haushaltsverhandlungen korrigiert wird.
  • Die Ombudsstelle für das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz muss personell und finanziell gestärkt werden, ebenso müssen die bezirklichen Antidiskriminierungsbeauftragten ausschließlich für diesen Bereich zuständig sein und mit entsprechender Zahl von Mitarbeiter:innen sowie Finanzen ausgestattet werden.
  • Der Ausbau der vorschulischen Sprachentwicklung gemäß der Sprachstandserhebung ist zu begrüßen. Hierzu ist ein entsprechendes Fortbildungsprogramm für Erzieher:innen und Lehrkräfte notwendig.
  • Die Stelle der/des Antidiskriminierungsbeauftragten bei der Senatsverwaltung für Bildung muss ausschließlich für diesen Bereich zuständig sein und mit entsprechender Zahl von Mitarbeiter:innen sowie Finanzen ausgestattet werden.
  • Sehr zu begrüßen ist die vorgesehene Förderung der Mehrsprachigkeit im erstsprachlichen Unterricht, der Ausbau der Herkunftssprache an Grundschulen um weitere Sprachen sowie die Fortführung in der Oberschule und deren Einbringung als 2.oder 3. Fremdsprache.
  • Zuwendungsrecht entbürokratisieren und vereinfachen: Sehr wichtiges und dringend notwendiges Ziel, insbesondere für NGOs.

Bei Antragsbetreuungen und Verwendungsnachweisprüfungen sollten die Möglichkeiten und Kapazitäten von Trägern berücksichtigt werden.

In dem Zusammenhang sind folgende Probleme der fehlenden Finanzierung trotz gesetzlicher Verpflichtungen klären:

Es gibt gesetzlich vorgeschriebene Ausgaben, die durch die Zuwendungen nicht gedeckt sind. Das führt dazu, dass viele Zuwendungsempfänger deshalb dem nicht folgen und Gefahr laufen, sanktioniert zu werden:

  • Datenschutzbeauftragte/r
  • Brandschutzhelferschulung
  • Erste Hilfe Schulung
  • Arbeitssicherheitsbeauftragte:rschulung
  • Betriebsarzt/-ärztin
  • Prüfung ortveränderlicher Betriebsmittel (gem. DGOV 3 müssen alle 2 Jahre Elektrogeräte geprüft werden)
  • (mehrere) Feuerlöscher
  • Betriebsrat: Laut Betriebsverfassungsgesetz muss in Betrieben mit mindestens 5 Beschäftigten ein Betriebsrat gewählt werden (ab 20 Beschäftigten 3 Personen). Die Betriebsratsarbeit gilt als Arbeitszeit, d.h. diese Zeit fehlt insbesondere bei Beratungstätigkeiten. Dies muss bei der Prüfung von Beratungszahlen berücksichtigt werden.
  • AGG-Beauftragte: Arbeitgeber:innen müssen eine Beschwerdestelle oder auch AGG-Beauftragte gemäß § 13 AGG benennen. Gilt als Arbeitszeit, d.h. insbesondere fehlt diese Zeit bei Beratungstätigkeiten. Dies muss bei der Prüfung von Beratungszahlen berücksichtigt werden.
  • Es muss gewährleitet werden, dass Tariferhöhungen in voller Höhe vom Zuwendungsgeber übernommen werden.
  • Erarbeitung eines Landesdemokratiefördergesetzes im Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren: Hier wird eine langjährige Forderung des TBB und anderer NGOs aufgegriffen, nämlich die strukturelle Förderung von migrantischen Verbänden.

Politisch relevante migrantische Organisationen müssen „strukturell“ gefördert werden, d.h. für diese Organisationen erhalten – projektunabhängig und langfristig finanziert – jeweils volle Stellen:

  • Geschäftsführung
  • Geschäftsführungsassistenz
  • Verwaltungskraft. 

Der TBB begrüßt die Wertschätzung, die die Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt im Kapitel „Mieten und Wohnen“ genießt.

  • Der TBB spricht sich gegen jedwede Überlegungen und Maßnahmen aus, die die Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den migrantisch geprägten Gebieten mit wohnungspolitischen Instrumenten zum Ziel haben können.
  • Die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) unabhängig von der Dauer des Aufenthaltsstatus begrüßen wir und fordern eine schnelle Umsetzung.
  • Bedarf qualifizierten Fachkräften/Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse: Die im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen wie die Schaffung von Anreizen für alle Mangelberufe im öffentlichen Dienst, insbesondere im IT-Bereich, die Entbürokratisierung und Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie die Möglichkeit des Quereinstiegs für Ein-Fach-Lehrkräfte, die Einrichtung eines interdisziplinäres Welcome Center für internationale Fachkräfte als „One Stop Agency“ sind gute Ansätze zur Steigerung der Attraktivität Berlins für Fachkräfte aus dem Ausland.

In diesem Kontext müssen bspw. neben der Beschleunigung der Verfahren der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen auch entsprechende Begleitstrukturen geschaffen bzw. weiter ausgebaut werden, wie bspw. der gemäß §19 BQFG Berlin verankerte Beratungsanspruch.

Ferner sollten im Sinne einer schnelleren Abwicklung von Verfahren und der Kostenreduzierung nur unverzichtbare Unterlagen gefordert und auf bestimmte Anforderungen verzichtet werden.

  • Der TBB, selber Träger von FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr), begrüßt die Absicht, FSJ für alle jungen Menschen gleichermaßen zu öffnen und die finanzielle Gleichstellung der Freiwilligendienste aller Themenbereiche zu prüfen sowie gegenüber dem Bund wird sich dafür einzusetzen, dass die Zahl der Einsatzplätze bei den Freiwilligendiensten ausgebaut wird.