Zwischen dem 22. und 26. August 1992 begingen Rechtsextreme und Rassisten in Rostock-Lichtenhagen das schwerste rassistische Pogrom in Deutschland seit 1945. Über Tage hinweg belagerten sie Asylsuchende und überwiegend vietnamesische Vertragsarbeiter*innen in deren Unterkunft im sogenannten Sonnenblumenhaus und der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (sic). Sie warfen Steine und Brandsätze, gefährdeten Menschenleben und versuchten gezielt durch Hass und Gewalt marginalisierte Mitmenschen einzuschüchtern. Rettungskräfte wurden bei ihrer Arbeit behindert, die Sicherheitsbehörden zeigten sich überfordert und teils passiv. In der Zeit nach den Ausschreitungen wurden zynischer Weise eine Verschärfungen des Asylrechts eingeführt.
Durch glückliche Fügung kam es zu keinen Todesfällen, aber die seelischen Narben, die die Ereignisse vor allem bei den direkt Betroffenen, aber auch anderen rassistisch Markierten hinterlassen haben, bleiben spürbar. Es bleibt das Wissen, dass durch Hass und Rassismus, Aggressivität und Gruppendynamik als anders Gelesene nur zu schnell zu vermeintlichen Feinden erklärt und zu Opfern von Gewalt werden. Die Frage war und ist, ob der Staat rechtzeitig und umfassend seine Schutzaufgabe wahrnimmt; die Erfahrung zeigt, dass es leichter scheint, Maßnahmen auf Kosten der Schwächeren umzusetzen als deren Probleme ursächlich zu adressieren.
Es greift auch heute noch zu kurz, das Problem als Symptom der Nachwendezeit oder eines von wenigen Extremist*innen zu sehen, Rassismus nur bei jenen zu verorten, die mit Hitlergruß vor brennenden Häusern stehen. Die laute und die die stille Zustimmung der Masse, die Angst der Vielen darum, ins Visier der Täter zu geraten und der Unwille für andere aufzustehen, solange mensch nicht selbst betroffen ist, haben die Eskalation vor 30 Jahren befördert. Rassismus ist ein strukturelles Problem, das alle Bereiche, Schichten und Institutionen der Gesellschaft durchzieht, nicht nur diejenigen, die bewusst und willentlich rassistisch handeln. Erst durch die Anerkennung dieser Tatsache ermächtigen wir uns, ihm auf breiter Ebene entgegenzustehen.
Nach den Ereignissen von 1992 gab es in Teilen der politischen Landschaft und vor allem in der Zivilgesellschaft aber auch neue Solidarisierung und ein Aufstehen gegen Rechts. Couragierten und engagierten Menschen bleibt Rostock-Lichtenhagen eine Mahnung für Demokratie, für den Schutz von Marginalisierten und gegen Rassismus und Nationalismus aktiv zu werden. Auch der TBB bleibt dieser Aufgabe verschrieben.
Der TBB erwartet von der Bundesregierung, dass sie ihre Zusage, Rechtsextremismus und Rassismus -auch bei Sicherheitsbehörden!- vorrangig zu bekämpfen, einhält.
Heute solidarisieren wir uns mit den Angegriffenen von damals, mit allen von Rassismus betroffenen und mit all jenen, die im Kleinen wie im Großen Rassismus, Gewalt und Rechtspopulismus entgegentreten.