Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg begrüßt die fundierte Auseinandersetzung des Verfassungsausschusses

Der TBB begrüßt die fundierte Auseinandersetzung, die gestern in der Sitzung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung zum Antrag auf Verfassungsänderung von Bündnis 90/Die Grünen sowie der Piratenfraktion stattgefunden hat und noch fortgeführt wird.

Der Ausschuss hatte sich die Experten Herrn Dr. Cremer (Deutsches Institut für Menschenrechte), Herrn Dr. Kopke (Moses Mendelsohn Zentrum), Herrn Barskanmaz (Institut für Recht und Gesellschaft Berlin) und Herrn Aikins (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland) geladen und um deren Stellungsnahmen gebeten.

Ausgangspunkt hierfür war der Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sowie der Piratenfraktion auf Streichung des Begriffs „Rasse“ in der Berliner Verfassung in Art. 10 Abs. 2 – „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden.“

In ihrem Antrag fordern die Fraktionen, dass der Begriff „Rasse“, der eine soziale Konstruktion einer Hierarchisierung von Menschen beinhaltet, durch die Verwendung in der Verfassung, nicht fortgeführt wird. Hier sei ein klares politisches Signal notwendig, welches sich gegen rassistisch motivierte Diskriminierung stelle. Sodass der Antrag vorsieht Abs. 2 des Art. 10 in: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, aus rassistischen Gründen, wegen seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden“ zu ändern. 

Der Antrag orientiert sich an einer im letzten Jahr erfolgten Änderung der Landesverfassung Brandenburgs, die eben jene Formulierung – „aus rassistischen Gründen“ – eingeführt hat.

Der Ausschuss hörte auch Dr. Christoph Kopke an. Der Politologe des Potsdamer Moses Mendelsohn Zentrum beriet im vergangenen Jahr den Brandenburger Landtag. Kopke führte an, dass die (Weiter-)Verwendung des Begriffs „Rasse“, die Annahme einer fundamentalen Ungleichheit der Menschen reproduziere. Eine verfassungsrechtliche Positionierung gegen diesen Begriff, wäre ein entsprechend starkes politisches Signal. Eine Änderung stärke dass Engagement gegen Rechtsextremismus in der Gesellschaft. Kopke merkte aber auch an, dass bei einer Änderung in „aus rassistischen Gründen“ eine Debatte darüber zu führen sei, welche Definition für rassistische motivierte Taten zugrundegelegt werde.

Joshua Kewsi Aikins von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) betonte, dass eine Änderung des Verfassungstextes aus „historischen, menschen- und grundrechtlichen Gründen dringend geboten“ sei, „sie kann das Diskriminierungsverbot stärken und einen Impuls für eine aktivere, menschenrechtsorientierte und historisch informierte Rassismusbekämpfung geben“, so Aikins weiter. „Rassen“ seien nicht als solche existent, sie würden durch die angewandte Sichtweise konstituiert, erläuterte Aikins. Daher sei eine Vermeidung des Begriffs in Gesetzestexten nötig. „Eine ersatzlose Streichung würde jedoch eine Schutzlücke schaffen. Der Begriff soll daher durch die Formulierung „rassistisch” ersetzt werden“, sagte Aikins in der Ausschusssitzung (ausführlich hier nachzulesen).

Dieser Vorschlag wird auch durch das Deutsche Institut für Menschrechte getragen (ausführlich hier nachzulesen). Dr. Hendrik Cremer hält eine Stärkung des gesetzlichen Diskriminierungsverbotes für geboten. „Hinsichtlich der konkreten alternativen Formulierung sollte die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ durch „rassistisch“ ersetzt werden, um den Schutz vor Diskriminierung adäquat zu gewährleisten“, sagte Cremer. Weiter führte Cremer aus: „Die Gefahr der Verengung des Schutzbereichs besteht indes nach dem hier  vorgeschlagenen Wortlaut einer Verfassungsänderung, indem auf „rassistische Gründe“ abgestellt wird. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme rechtlich als Diskriminierung einzuordnen ist, ist nämlich nicht entscheidend, aus welchen Gründen sie erfolgte. Maßgebend ist vielmehr die Wirkung der staatlichen Maßnahme.“ Er regte daher an den entsprechenden Satzbau in Art. 10 Abs. 2 neu zu gestalten und eine neue Reihenfolge der Diskriminierungsmerkmale nach thematischen Gesichtspunkten vorzunehmen, ohne jedoch dabei eine Hierarchisierung bzw. Abstufung einzuführen. Die Formulierung solle seiner Meinung nach lauten: „Niemand darf rassistisch, wegen seiner Abstammung, Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner Sprache, seiner religiösen oder politischen Weltanschauung, seines Geschlechtes oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Dieser Formulierungsvorschlag wird derzeit auch im niedersächsischen Landtag diskutiert.

In der anschließenden Aussprache mit den Anwesenden Fraktionsvertreter*innen erfolgte, insbesondere von der Linkspartei, die Anregung weitere vorherrschende Diskriminierungsmerkmale in den Gesetzestext mit aufzunehmen. Genannt wurden beispielweise Diskriminierungen aufgrund einer körperlicher oder geistigen (Nicht-) Befähigung, des Alters oder des sozio-ökonomisches Status einer Person.

Ein Beschluss zum Antrag auf Verfassungsänderung wurde in der Ausschusssitzung (Nr. 54) nicht gefasst. Eine Abänderung des Gesetzestextes wäre aus Sicht des TBB jedoch nicht nur bloße Symbolpolitik, wie von einigen Abgeordneten kritisiert, vielmehr bringe die Abkehr von rassistischen Formulierungen in der Berliner Verfassung eine klare und eindeutige politische Haltung zum Ausdruck, die sich gegen jegliche Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit richte.