TBB Logo Icon

Es bedarf einer unabhängigen Untersuchungskommission zum NSU-Komplex

Anlässlich des 6. Jahrestages der Aufdeckung der NSU-Verbrechen erklärte der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB):

Wenige Monate nach der unfreiwilligen Aufdeckung der NSU-Verbrechen am 4. November 2011 versprach Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Gedenkrede am 23.02.2012 eine „lückenlose“ Aufklärung: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“

„Seither sind in acht Länderparlamenten Untersuchungsausschüsse und weitere im Deutschen Bundestag eingerichtet sowie ein Strafprozess gegen die verbliebene Hauptverdächtige eingeleitet worden, in dem in den nächsten Wochen ein Urteil wird. Von Aufklärung der Taten und ihren Zusammenhängen kann jedoch nur bedingt gesprochen werden“, sagte Ayşe Demir, Vorstandssprecherin des TBB.

Stattdessen seien noch immer viele Fragen hinsichtlich der Verantwortung der staatlichen Stellen im NSU-Komplex unbeantwortet:

„Neue Erkenntnisse über sogenannte Ermittlungspannen, die fehlende umfassende Aufklärung der Aktenschredderungen, die Zurückhaltung von Akten durch die Generalbundesanwaltschaft und der Umgang der Generalbundesanwaltschaft mit dem Aussageverhalten von V-Leuten werfen weitere Fragen hinsichtlich der Verbindungen staatlicher Stellen im NSU-Komplex auf. Zudem legen die bislang bekannt gewordenen Erkenntnisse der Mord- und Terrorserie den Schluss nahe, dass ein Trio allein kaum in der Lage gewesen sein kann, die Taten zu verüben“, so Demir weiter. Diese Meinung habe auch der Vorsitzende des Bundestag-NSU-Ausschusses, Clemens Binninger (CDU) vertreten.

Lange Zeit wurden Migrant*innen der Taten verdächtigt, sogar die Familienangehörigen der Opfer. Zitate aus den Akten der Ermittlungsbehörden:

„Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischsprachige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben. Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Ehrenkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw. südosteuropäischen Raum (nicht europäisch westlicher Hintergrund).“ (….)

Mit welchen Vorurteilen agiert wurde, zeige folgende Stellungnahme: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“ (Aussage des LKA Baden-Württemberg zur Operativen Fallanalyse im Endbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Seite 878)

„Nur durch eine uneingeschränkte öffentliche Aufarbeitung der Geschehnisse kann das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederhergestellt werden. Unabdingbar ist zudem eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit rassistischen und menschenverachtenden Einstellungen in der Gesellschaft und in den Behörden“, so Demir.

In diesem Zusammenhang forderte der TBB die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchung -ähnlich der Stephan Lawrence – Kommission (auch als McPerson Kommission bekannt) in Großbritannien, die insbesondere den institutionellen und strukturellen Rassismus untersuchen und damit u.a. Zusammenhänge zwischen Rechtsextremismus und den Ermittlungsbehörden aufdecken soll.

Mehr zur Stephan Lawrence – Kommission: http://buendnis-gegen-das-schweigen.de/974/