KliK-Workshop 8: „Floating University Berlin – Hybride Infrastruktur und Natur-Kultur Lernort”

von Silja Teresa Huppertz

(Floating e.V.)

8.6.2023

Modul 4 ­– Natur im Kiez

Mit rund 30 Grad Celsius ist es heute sehr heiß für einen Berliner Nachmittag im frühen Juni. Im Regenrückhaltebecken des ehemaligen Tempelhofer Flughafens, in dem sich wegen der Trockenheit der letzten Wochen aktuell fast kein Wasser befindet, begrüßt uns Teresa. Sie erzählt uns, dass erste Initiativen zur Gestaltung des Geländes vor rund zehn Jahren vom raumlaborberlin kamen, einem Kollektiv von Architekt*innen, das 2021 auf der Kunstbiennale in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hat. Teresas Verein ist dann 2017 mit dem Ziel gegründet worden, das Areal zwischen Tempelhofer Feld und Hasenheide längerfristig als hybriden Ort des gemeinsamen Lernens verschiedener ökologischer Praktiken zu nutzen. Im Hintergrund hören wir zahlreiche Krähen, die hier leben. Leider darf sich die Floating University nicht als solche bezeichnen, obwohl sie in der Tat ein alternativer Lernort ist, in den alle ihre jeweilige Expertise einbringen können. Heute gibt es keinen Schilfgürtel mehr, so dass Wasser, wenn es denn mal regnet, noch schneller abfließt als zuvor.

Insgesamt befindet sich hier alles im Fluss: Die Gebäude und Pavillons, die Holzstege dazwischen, die Veranstaltungsformate, die Praktiken, die Menschen. Teresa führt uns zu einem der vergitterten Tunneleingänge, wo wir Pfützen sehen und Frösche hören, die sich davor angesiedelt haben. Unser weiterer Weg führt uns an einem Insektenhaus und einer Sauna vorbei, vor der gerade jemand Pflanzen gießt. Teresa meint, früher wäre dieser Raum für Ausstellungen genutzt worden. Dann passieren wir den Garten des schlechten Gewissens, der letztes Jahr im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit dem Goethe-Institut angelegt worden sei, um Emissionen auszugleichen.

Jetzt betreten wir ein zweigeschössiges Holzhaus, das ursprünglich für eine Ausstellung im Haus der Kulturen der WELT (HKW) errichtet wurde und dann hierher umgezogen ist. Der sogenannte Urban Forest dient Floating e.V. als Arbeits- und Versammlungsraum. Außerdem finden hin und wieder Workshops in ihm statt – demnächst einer zu verschiedenen Methoden des Kompostierens. Nachdem wir uns an einem größeren Konferenztisch länger über kommende Veranstaltungen der Floating University ausgetauscht haben, führt Teresa uns über eine kleine Brücke zu den Toiletten. In der Mitte zwischen den einzelnen Kabinen ist ein Wasserbecken installiert worden, das Regenwasser speichert. Der Hahn zum Händewaschen und mehrere Gießkannen sind ebenfalls hier, so dass keine weiteren Ressourcen für die Spülung verbraucht werden müssen. Später bemerkt Vinh in der Nähe leere Badewannen, die sich neben einem der Holzstege befinden und von einem Kunstprojekt stammen.

Teresa sagt uns, die gegenseitige „Bestäubung“ von Ideen und Praktiken sei enorm wichtig für die Floating University als Prozess aller an ihr Beteiligten. Sie zeigt uns die Küche und sagt, das Konzept der Permakultur, also die Selbstregulierung von Ökosystemen, spiele ebenfalls eine wichtige Rolle für ihren Verein. Bevor wir in der Bar eine kurze Pause einlegen und uns mit kalten Getränken eindecken, zeigt uns Teresa noch Schläuche, durch die das Wasser vom Regenrückhaltebecken zu verschiedenen Orten auf dem Gelände wie bspw. dem Kids Pool gepumpt und auch gefiltert werden kann. Nach der Pause bilden wir im überdachten Auditorium einen Stuhlkreis. Unsere Workshopleiterin zeigt uns einen Baum, der dort steht. Sie erzählt, dass er eigentlich zusammen mit dem Schilfgürtel entfernt hätte werden sollen, dann aber hierher umgepflanzt und so gerettet wurde.

Nun beginnt der Praxisteil des heutigen Tages. Wir werden dazu aufgefordert, für fünf Minuten die Augen zu schließen und uns auf unsere akustische Wahrnehmung zu konzentrieren. Remzi bittet darum, aufgeweckt zu werden, sollte er dabei einschlafen. Wie sich schnell herausstellt, ist die folgende Stille voller Geräusche. Neben den anderen Menschen, Krähen und weiteren Vögeln auf dem Gelände sowie entfernten Kirchenglocken hören wir Insekten und seichten Wind. Teresa schildert, die Methode des Deep Listening helfe dabei, sich die Hybridität von Orten bewusst zu machen, die von vielen Lebensformen gleichzeitig bewohnt werden und zwischen Natur und Kultur angesiedelt sind. Auf einem Tisch liegen Papier und Stifte bereitet. Wir haben die Aufgabe, in der nächsten halben Stunde die jeweiligen Erfahrungen, die wir gerade gemacht haben, zur Darstellung zu bringen: Das könnten Texte oder Zeichnungen sein, aber auch Skizzen und andere Formen sind möglich. „Freiwillige vor“, meint Teresa später, bietet an, unsere Werke auf der Homepage der  Floating University zu veröffentlichen und fragt, wer von uns mit der Präsentation beginnen mag. Auf dem Boden in der Mitte unseres Stuhlkreises liegen eine Reihe von Zeichnungen, über die wir uns zunächst austauschen. Den Anfang macht dann Valentina mit ihrem Märchen über einen von Betonierung bedrohten, bühnenscheuen Baum und eine in ihm lebende Maus. Marie Antoinette lässt das an die massive Abholzung des Regenwalds in Kamerun u.a. für europäische Möbelfirmen denken, was uns wiederum dazu bringt, kurz über den in Geld bemessenen Wert von Bäumen zu sprechen. Daraufhin verliest Sallaheddin einen poetisch gestalteten Erfahrungsbericht, gefolgt von Elizabeth, die ein auf Englisch verfasstes Gedicht vorträgt und Marie Antoinette mit einem französischen Prosatext. Schließlich stellt Ali ein auf Deutsch und Arabisch formuliertes Erfahrungsprotokoll vor. Der heutige Workshop lässt uns erkennen wie wichtig es ist, ökologische Zusammenhänge nicht nur zu verstehen, sondern auch ästhetisch zu erleben. So bekommt dann am Ende Teresa einen längeren Applaus, weil sie uns in den letzten Stunden dazu angehalten hat, auf sehr besondere und auch schöne Weise von- und miteinander zu lernen.

FLOATING BERLIN (floating-berlin.org)