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Internationale Woche gegen Rassismus 2021

Pressemitteilung des ADNB (Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg) zu Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 15.03.2021 bis 28.03.2021

Anlässlich der jährlichen Internationalen Wochen gegen Rassismus, macht das ADNB des TBB auf den Anstieg der Beratungsanfragen im vergangenen Jahr aufmerksam:


2020 erreichten das ADNB des TBB 402 Diskriminierungsmeldungen von 753 Betroffenen Personen (im Vergleich: 292 Meldungen von 740 Personen im Jahr 2019). 288 dieser Anfragen führten zu fortlaufenden Beratungsprozessen und zur aktiven Intervention gegen die Diskriminierungsverantwortlichen.


Die Diskriminierungen erstreckten sich über verschiedene Lebensbereiche: besonders viele Diskriminierungsfälle ereigneten in der Arbeitswelt (114 Fälle). Im Bereich Güter und Dienstleistungen (Einzelhandel, öffentlichen Nahverkehr, Gesundheitswesen) erreichten uns 89 Fälle und in 71 Fällen ging es um den Bereich des staatlichen Handelns (Ämter, Behörden, Polizei, Schulen und Hochschulen), davon 49 Fälle nach dem Inkrafttreten des Landesantidiskriminierungsgesetzes im Juni 2020.Hier geht es zu den Beratungszahlen 2020

Auch wenn die Zahlen in keiner Weise repräsentativ sind, da unser Beratungsangebot nur einen Bruchteil der Diskriminierungsfälle in Berlin erreichen, zeigen die zunehmenden Beratungsanfragen und die steigenden Zahlen der Fälle deutlich, dass Rassismus und Diskriminierungen zum Alltag vieler in Berlin lebenden Menschen gehören. Unsere Beratungserfahrung offenbart auch, dass das Zusammenwirken von strukturellem Rassismus und weiteren Diskriminierungsformen wie Sexismus, Klassismus, Ableismus und Heteronormativität einer gesellschaftlichen Teilhabe und Gleichberechtigung fest im Weg stehen. Somit wird gerade in Zeiten der Pandemie, wo bereits bestehende Machstrukturen und prekäre Lebenslagen sich verschärfen, deutlich, wie wichtig die qualifizierte Antidiskriminierungsberatung ist.


Aus diesem Grund schließt sich das ADNB des TBB den Forderungen des Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd e.V.) an: ein effektiver Schutz gegen Diskriminierungen durch den Ausbau der Antidiskriminierungsberatungsstellen und Unterstützungsstrukturen, die Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), und die Verabschiedung eines Bundesantidiskriminierungsgesetzes. Dazu müssen Ämter und Behörden, insbesondere die Polizei und Justiz, für die Umsetzung einer anti-rassistischen Praxis Verantwortung übernehmen. Daher sollte jeder Tag und jede Woche ein intersektionaler Kampf gegen Rassismus und weiteren verwobenen Machstrukturen sein.


Pressekontakt: adnb@tbb-berlin.de

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Zivilgesellschaft betont die Wichtigkeit des LADG

Pressemitteilung von Verbänden und Antidiskriminierungsakteur*innen

Zur baldigen Anhörung im Abgeordnetenhaus:
Zivilgesellschaft betont die Wichtigkeit des LADG für Betroffene und Rechtsstaat

In unserer täglichen Arbeit mit Menschen, die Diskriminierung erlebt haben, sehen wir oft, wie Diskriminierungsfälle die Institutionen des Rechtsstaats nicht erreichen bzw. diese keine Abhilfe schaffen (können). Wir begrüßen daher den Gesetzesentwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Diesen halten wir in seiner vorliegenden Form für geeignet, Diskriminierung, die in allen Lebensbereichen und eben auch bei Behörden stattfindet, wirksamer zu bekämpfen.

Als besonders wichtig erachten wir die Regelungen zur Beweiserleichterung, zur Prozessstandschaft und zur Verbandsklage. Aus unserer täglichen Beratungsarbeit wissen wir wie schwierig es ist gegen Diskriminierung vorzugehen. Außerjuristische Möglichkeiten haben in einigen Fällen Erfolg, in vielen Fällen trifft die Perspektive von diskriminierten Personen jedoch auf Desinteresse oder ihr wird sogar mit subtilen oder offenen Repressalien begegnet. Selten besteht die Offenheit, auf die Erfahrung der Person einzugehen und daraus zu lernen. Der Rechtsweg ist für die meisten Betroffenen erst dann eine Option, wenn außerjuristische Versuche scheitern oder keinen Erfolg versprechen. Er ist jedoch mangels Beweisen oder wegen strenger gesetzlicher Anforderungen in den meisten Fällen, die uns erreichen, verschlossen. In anderen Fällen entscheiden sich Betroffene aufgrund der hohen emotionalen und finanziellen Belastung durch ein Gerichtsverfahren sowie der „Ferne“ der Institutionen der Justiz gegen den Rechtsweg. Hier setzen die oben genannten Regelungen an. Eine Beweiserleichterung und Mitwirkungsmöglichkeiten für Verbände sind zudem für rassistische Diskriminierung im Bildungsbereich europarechtlich vorgeschrieben.

Ein weiterer Meilenstein im Entwurf ist die Einführung des Diskriminierungsgrundes sozialer Status. Diese in der Praxis und der öffentlichen Meinung so wichtige Diskriminierungskategorie soll erstmals explizit gesetzlich geschützt werden.

„Der LADG-Entwurf ist eine konsequente Initiative in einem Rechtssystem, das bestehende Machtungleichheiten auszugleichen versucht und allen Menschen ermöglichen möchte, zu ihrem Recht zu kommen“,  so Kerstin Kühn, Leiterin des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin des TBB. „Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass unsere begrenzten Kapazitäten als Verbände eine sorgfältige Auswahl der Fälle, die vor Gericht gebracht werden können, erfordern werden.“

„Mit der Beweiserleichterung und mit Möglichkeiten für Verbände, den Betroffenen die Last eines Gerichtsverfahrens abzunehmen, kann das Problem Diskriminierung vor Gericht in Zukunft mehr Gehör finden“, ergänzt Céline Barry, Leiterin der Beratungsstelle Each One von EOTO e.V.

„Damit die Diskriminierungsverbote tatsächlich wirken und um Mitarbeitenden der Verwaltung Handlungssicherheit zu geben, sind ausführliche Schulungen unabdingbar“, so Zeynep Cetin Projektleiterin des Netzwerks gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit bei Inssan e.V.

Kontakt: Kerstin Kühn, ADNB des TBB, 030/61305328; Zeynep Çetin, Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit bei Inssan e.V.,  030/20619639

Beteiligte Verbände/Antidiskriminierungsakteur*innen:

  • Amaro Foro e.V.
  • Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS)
  • Antidiskriminierungsberatung Alter und Behinderung
  • Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des TBB
  • Antidiskriminierungsverband Deutschland e.V.
  • Ariba e.V./Reach Out
  • BeNeDiSK – Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kita
  • Bund für Anti-Diskriminierungs- und Bildungsarbeit (BDB e.V.)
  • Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V.
  • Each One Teach One e.V.
  • Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V.
  • KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen / Fachstelle Kinderwelten / ISTA
  • Landesvereinigung Selbsthilfe e.V.
  • Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.
  • Network African Rural and Urban Development e.V. (NARUD)
  • Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit / Inssan e.V.
  • Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V.
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Freies Feiern für Alle! Denkanstoß zur Silvesternacht

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People of Color sind alltäglich mit rassistischen Türpolitiken und Racial Profiling durch Securities, Gewerbebetreiber*innen und Polizei konfrontiert. Wachsamkeit und Solidarität sind gefragt, um dieser systematischen Ausgrenzung ein Ende zu setzen.

Einer Gruppe Schwarzer Frauen* wird der Einlass zu einem Club verweigert. Dabei standen alle sechs auf der Gästeliste. Andere, weiße Gäste kommen problemlos rein. Aus dem Club ertönt ein Song von Beyoncé. „Black Music“ ist willkommen – Black Bodies nicht. Auch in drei anderen Clubs, in denen Schwarze Musik gespielt wird, kommen Schwarze Personen am selben Abend nicht rein.

Trotz vorheriger Reservierung wird einer Gruppe „arabisch“ aussehender Männer der Zutritt zu einem Restaurant verweigert. Der geplante Junggesellenabend fällt ins Wasser.

In einer Kneipe in Wedding werden zwei Gäste, die sich auf Arabisch unterhalten, beschimpft, beleidigt und gewaltsam vor die Tür gesetzt.

Ein Schwarzer Mann wird beim Empfang einer großen IT-Firma vom Sicherheitspersonal aus dem Publikum gefischt. Er wird gebeten, den Raum zu verlassen, weil er angeblich  „unangenehm aufgefallen“ sei.

Ein junger Schwarzer Mann ist mit seinen Freunden in einem Club. Beim Tanzen wird er plötzlich vom Security aus dem Laden gezogen und vor der Tür rassistisch beleidigt und geschlagen.

Der Türsteher einer Großraum-Disko meldet, dass beim Einlass Ticker benutzt werden, mit denen die Gäste abgezählt werden: „Es ist genau festgelegt, wie viele POCs reindürfen: 10 %. Auch der Anteil ist vorgegeben – wie viele Araber, wie viele Türken, Russen, Schwarze…“

Meldungen wie diese erreichen uns regelmäßig. Eine Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus 2016 ergab, dass über 35% der Diskriminierungen in Deutschland im Bereich Gaststätten und Unterhaltungsgewerbe stattfinden – in erster Linie in Hotels, Restaurants und Diskotheken. People of Color, die als ‚nicht-deutsch‘ bzw. ‚nicht-weiß‘ kategorisiert werden, werden so systematisch kriminalisiert und ausgegrenzt.

„Dieses Vorgehen ist menschenverachtend und spaltet die Gesellschaft in Gruppen, die frei feiern dürfen und anderen, die stets Gefahr laufen, vor der Tür stehen zu bleiben oder mehr oder weniger gewaltsam rausgeschmissen zu werden. Dies verstößt außerdem klar gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das rassistische Diskriminierung beim Zugang zu Dienstleistungen verbietet. Alle müssen gleichberechtigt feiern dürfen!“ sagt Shemi Shabat, Berater des ADNB des TBB.

Meist werden solche Diskriminierungen verharmlost oder gar als ‚Sicherheitsmaßnahmen‘ ausgegeben. Der Racial-Profiling-Skandal in Köln zu Sylvester 2017 war eine institutionelle Zuspitzung dieser alltäglichen Praxis. „Dass dies weitgehend unhinterfragt bleibt, ist in großem Maße auf die antimuslimischen und antischwarzen Diskurse zurückzuführen, die Politik und Medien verbreiten,“ so Shabat weiter.

Auch in diesem Jahreswechsel werden wieder viele People of Color daran gehindert werden unbeschwert mitzufeiern. „Wichtig ist, dass Leute sich angewöhnen, wachsam zu sein und solche Fälle nicht einfach hinzunehmen: Stellt Fragen, sucht Euch Zeug*innen oder bietet Unterstützung an,“ ermutigt Shabat. „ Auch können sich Diskriminierte wie  Zeug*innen jederzeit bei uns beraten lassen.

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Urteil gegen Neutralitätsgesetz rechtskräftig! Abschaffung des Neutralitätsgesetzes weiterhin auf der Tagesordnung!

Logo ADNB und INSSAN

Heute wird das Urteil gegen die Diskriminierung einer Lehrerin mit Kopftuch rechtskräftig. Somit endet der Prozess für unsere Klientin mit Erfolg. Aus antidiskriminierungspolitischer Sicht steht die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes weiterhin auf der Tagesordnung. 

Seit 2015 begleiten das Antidiskriminierungsnetzwerk des TBB und das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.) eine Lehrerin, die gegen das Land Berlin Klage einreichte, weil ihr aufgrund des Tragens eines Kopftuchs die Einstellung an einer öffentlichen Schule verweigert wurde. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren entschied das Landesarbeitsgericht für eine verfassungskonforme Auslegung des Neutralitätsgesetzes und gab der Klägerin recht: Sie dürfe nicht mit dem Argument der ‚abstrakten Gefahr für den Schulfrieden‘ pauschal ausgeschlossen werden. Der Klägerin war eine Entschädigung i.H.v. 8.680 Euro zugesprochen worden. Wie die Senatsbildungsverwaltung mitteilte, verzichtet das Land Berlin darauf, gegen das Urteil Revision einzulegen. Damit wird das Urteil rechtskräftig.

Für uns als Antidiskriminierungsakteur*innen geht der Kampf weiter: „Das Neutralitätsgesetz muss abgeschafft und jede politische Initiative in diese Richtung unterstützt werden. Reformierte Einstellungsverfahren, wie sie die Senatsbildungsverwaltung vorschlägt, können dem nicht abhelfen,“ so Céline Barry vom ADNB des TBB. Zwar nahm der Prozess im vorliegenden Fall einen positiven Verlauf. Eine verfassungskonforme Auslegung eines verfassungswidrigen Gesetzes ist paradox und nicht hinnehmbar. Um nachhaltig zu verhindern, dass Muslima mit Kopftuch per Gesetz in bestimmten Zweigen des öffentlichen Dienstes mittelbar diskriminiert werden, kommt nur eine komplette Abschaffung des Neutralitätsgesetzes in Frage.

Für die Klägerin endet ein Prozess, der ihr viel Mut und Ausdauer abverlangt hat. Für Diskriminierte, aber vor allem für muslimische Frauen, die ganz besonders beim Zugang zum Arbeitsmarkt Ausschlüsse erfahren, ist sie ein ermutigendes Beispiel, sich gegen Benachteiligung zur Wehr zu setzen. 

Kontakt:
ADNB des TBB, Céline Barry, adnb@tbb-berlin.de, 030/61305328.
Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.), Zeynep Ҫetin, antidiskriminierung@inssan.de, 030/20619639.

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ADNB-Pressemitteilung: EuGH-Urteil zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Pressemitteilung des Antidiskriminierungsnetzwerks des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (ADNB des TBB)

Berlin, 29.03.2017


EuGH-Urteil vom 14.03.2017: Arbeitgeber*innen können das Tragen eines Kopftuchs verbieten


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Arbeitgeber*innen in einem privaten Unternehmen das Tragen eines Kopftuchs verbieten können, wenn religiöse und weltanschauliche Zeichen generell in der Firma verboten sind. Ein solches Verbot könne zwar eine mittelbare Diskriminierung darstellen, durch ein rechtmäßiges Ziel wie die „Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität“ könne diese jedoch gerechtfertigt sein.


Wir als ADNB des TBB erachten dieses EuGH-Urteil als höchst problematisch. Das Urteil, das ein Richtmaß für zukünftige Verfahren darstellt, bedeutet für Muslima mit Kopftuch eine potentielle Einschränkung ihrer Religions- und Berufsfreiheit. Mit einer entsprechenden Neutralitätsregel kann danach in einem privaten Unternehmen das Tragen eines Kopftuchs verboten werden. Arbeitgeber*innen könnten sich ermutigt sehen, solch eine Regel in ihrem Unternehmen aufzustellen. Der EuGH hat dabei nicht ausreichend gewürdigt, dass das Tragen des Kopftuchs nach einer breit geteilten Interpretation des Islam für Muslima eine  Pflicht ist und nicht auf ein Symbol reduziert werden darf. Die religiöse Identität ist ein integraler Bestandteil ihres ganzen Lebens, die nicht während der Arbeitszeit abgelegt werden kann. Die Neutralitätsregel stellt deshalb für Muslima mit Kopftuch zumindest eine mittelbare Diskriminierung dar. So auch Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 13.07.2016 in der Rechtssache C‑188/15: „Wenn sie ihren religiösen Überzeugungen treu bleiben wollen, haben sie keine andere Wahl, als gegen die Regelung zu verstoßen und die Konsequenzen zu tragen“.


Anlass für das Urteil ist die Klage der Muslima Samira Achbita, die in Belgien als Rezeptionistin in einem Sicherheitsunternehmen gearbeitet hat. Sie wurde  entlassen wegen ihrer Ankündigung, ihr Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen zu wollen.  Dies verstieß gegen eine interne Regel,  die sichtbare Zeichen von “politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen” verbot.

Kontakt:
ADNB des TBB, Céline Barry, adnb@tbb-berlin.de, 030/61305328.

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ADNB des TBB: Berliner Neutralitätsgesetz weiter auf dem Prüfstand

Berliner Neutralitätsgesetz weiter auf dem Prüfstand
Die Klage der muslimischen Lehrerin geht in die zweite Instanz

Seit 2015 begleiten das Antidiskriminierungsnetzwerk des TBB und das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.) eine muslimische Lehrerin, die für ihr Recht kämpft, mit Kopftuch an einer Berliner Schule unterrichten zu dürfen.


In der ersten Instanz hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass das Neutralitätsgesetz, das das Tragen religiöser Symbole durch Lehrer*innen generell verbietet, im Kontext Berlin aufgrund eines angeblich erhöhten Konfliktpotentials gerechtfertigt sei. Diese Meinung des Gerichts teilen wir nicht und wenden uns gegen die pauschale Annahme, eine Lehrerin mit Kopftuch gefährde den Schulfrieden. Vielmehr erachten wir diesen Schluss als Resultat stereotyper Zuschreibungen.


Die Klägerin hat sich dafür entschieden, in zweiter Instanz weiter für ihr Recht auf Religions- und Berufsfreiheit zu kämpfen, das durch das Berliner Neutralitätsgesetz unterbunden wird.


Diesen Donnerstag, 09.02.2017, findet das Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg statt. Die Klägerin wird auch dieses Mal von Rechtsanwältin Maryam Haschemi Yekani verteidigt.


Wie wird das richterliche Urteil ausfallen? Wird der Klage stattgegeben und damit ein wichtiges Zeichen gegen die pauschale Diskriminierung und Kriminalisierung von Muslim*innen gesetzt? Wird die Klage abgelehnt und mittelbare Diskriminierung von Muslima mit Kopftuch somit institutionell untermauert? Oder wird der Fall dem Bundesverfassungsgericht übertragen, das seinerseits bereits in zwei Fällen gegen Neutralitätsgesetze geurteilt hat?

Im Anschluss an die Gerichtsverhandlung werden wir weiter über den Verlauf des Prozesses informieren.

Kontakt:
ADNB des TBB, Céline Barry, adnb@tbb-berlin.de, 030/61305328.
Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.), Zeynep Ҫetin, antidiskriminierung@inssan.de, 030/20619639.

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ADNB des TBB: Appell an die Kritische Tradition der Goethe Universität Frankfurt a.M.

Infolge eines Antirassismus-Workshops an der Goethe Universität in Frankfurt a.M., wurden die beiden Dozenten Tahir Della (ISD) und Timo Kiesel durch die Jugendorganisation der AfD diffamiert, während sie eine kritische Perspektive auf Racial Profiling nahelegten.

Racial Profiling erachten wir als eine diskriminierende und menschenfeindliche Praxis. Wir unterstützen die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) in ihrem Engagement zu dessen Abbau. 

Ebenso begrüßen wir das Vorhaben des Berliner Senats bezüglich einer gesetzlichen Klarstellung zum Verbot der Praxis des Racial Profiling und die angestrebte Bundesratsinitiative zur gesetzlichen Klarstellung im Bundespolizeigesetz.

Gerade heute angesichts zunehmender rechter Gewalt sowie des Rechtsrucks in Gesellschaft und Politik steht Universitäten die verantwortungsvolle Aufgabe zu, demokratiefeindlichen Tendenzen entgegenzutreten. Es ist bedauerlich, dass sich die Goethe Universität von der rassistischen Hetze der AfD-Gruppierung instrumentalisieren lässt. Dies ist in keinster Weise vereinbar mit dem Vermächtnis von Johann Wolfgang von Goethe und der Kritischen Tradition der Frankfurter Schule.

Wir zeigen uns solidarisch mit den Referent*innen und unterstützen die Forderungen der ISD, nämlich, dass:[1]

  • Die Stimmen der restlichen Teilnehmenden gehört werden, um sich ein abschließendes Bild über den Workshop zu erlauben.
  • Die Aussagen des AfD Mitglieds und Junge Alternative Aktivisten Jonas B. als das verstanden werden müssen, was sie sind: Gezielte medien-politische Hetze und Provokation.
  • Die Goethe Universität sich nicht von den Jungen Alternativen einschüchtern lässt, ihre Handlungen nicht allein auf die Aussagen eines einzigen Teilnehmers stützt und sich stattdessen weiterhin mit Rassismus in Gesellschaft und Universität auseinandersetzt.
  • Dass die Universität ihre Entscheidung, nicht mehr mit „glokal e.V.“ zusammenzuarbeiten, zurücknimmt und dies öffentlich bekundet.

 
Kontakt: ADNB des TBB, Céline Barry, adnb@tbb-berlin.de, 030-61 30 53 28

ADNB Praxisreflexionsseminar

Das Antidiskriminierungsnetzwerk des TBB bietet ein Praxisreflexionsseminar für Ehrenamtliche im Bereich der Unterstützung von geflüchteten Menschen an.

Ehrenamtliche im Bereich der Unterstützung von geflüchteten Menschen leisten wertvolle Arbeit. Angesichts strukturellem Rassismus und Diskriminierung sind die Rahmenbedingungen oftmals schwierig. Eine solche Unterstützungsarbeit kann häufig als sehr belastend, frustrierend und entmutigend erlebt werden. So können Unsicherheiten und Fragen auftauchen, wie z.B.:

Wie gehe ich angemessen mit meinen Privilegien um?

Was kann ich tun angesichts dem von geflüchteten Menschen erlebten (massiven) Alltagsrassismus und struktureller Gewalt?

Wie kann ich mich als Schwarze Person oder Person of Color solidarisch zeigen, auch wenn die selbst erlebten und die von geflüchteten Menschen erlebten Rassismus-erfahrungen ganz verschieden sind?

Wie kann ich überhaupt mit bestehenden unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionierungen solidarische Unterstützungsarbeit leisten?

Und: Wie kann ich in einer Arbeit, die sehr belastend sein kann, gut für mich selbst sorgen?

An diesen oder weiteren Fragen setzt unser Praxisreflexionsseminar an. Wir bieten einen machtreflexiven, differenzsensiblen und achtsamen Raum, solche offenen Fragen bzw. erlebte schwierige Situationen in der eigenen Praxis zu reflektieren. Durch die Supervision in der Seminargruppe erweitern sich die Perspektiven und eigene Ressourcen werden aktiviert. Ziel ist es neue Handlungswege und Lösungsansätze zu finden.

Unser Vorgehen ist entschleunigend, wertschätzend, lösungs- und prozessorientiert. Das Seminar lebt von den Praxisbeispielen der Teilnehmer*innen, die wir mit einem Fundus an kreativen, systemischen Methoden bearbeiten. Uns liegt dabei viel an einer wohlwollenden und humorvollen Atmosphäre. Als Team unterstützen wir zudem die Schaffung von geschützten und getrennten Settings, konkret PoC-Empowerment-Räume, kritisch weißen sowie Queeren Räumen.

Das Seminar wendet sich gezielt an Ehrenamtliche, da diese in der Regel weniger Möglichkeiten für professionell angeleitete Reflexionsräume oder auch Supervision haben.

Seminarleitung:

Toan Quoc Nguyen,

Diplom-Pädagoge, politischer Bildungsreferent, systemischer Coach.

Mitja Lück-Nnakee,

Diplom-Pädagogin, Referentin für politische Bildung, Supervisorin DGSv.

Wann:

Freitag, 18.11.2016,  15:00 – 20:00 Uhr

Samstag, 19.11.2016, 10:00-18:00 Uhr

Ort:

ADNB des TBB, Oranienstrasse 53, 10969 Berlin

Anmeldung (s. Flyer im Anhang):

Per Post, Fax oder E-Mail bis 3. November 2016 an

Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des TBB c/o
Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg

Oranienstr.53, 10969 Berlin

Tel.: 030/ 61 30 53 28

Fax: 030/ 61 30 43 10

E-Mail: adnb@tbb-berlin.de

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Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des TBB stellt neuen Bericht vor

Diskriminierung in Berlin ist Alltag für viele Menschen

Das Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (ADNB des TBB) veröffentlicht seinen neuen Antidiskriminierungsreport 2014 – 2015.  Neben den Auswertungen der Diskriminierungsmeldungen der letzten Jahre, werden Fallbeispiele vorgestellt, die die Diskriminierungserfahrungen von Berliner und Berlinerinnen sichtbar machen. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.8.2016 blickt das Projekt zudem auf die Erfahrungen aus der Beratungspraxis mit dem Gesetz  und macht auch anhand von Praxisbeispielen deutlich, dass das AGG im Sinne der Betroffenen verbessert werden muss.

Die Auswertungen der Diskriminierungsmeldungen 2014 bis 2015 der Beratungsstelle des ADNB des TBB zeigen ein unverändert erschreckendes Bild von Fällen von Alltagsrassismus und Diskriminierungen in Berlin: Menschen werden aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Namens, ihrer Religion und/oder anderer Merkmale, die Auslöser von Zuschreibungen als „anders“ und „fremd“ sind, ausgegrenzt, beleidigt und benachteiligt.
Nach wie vor eklatant ist die Diskriminierung von Muslima, die ein Kopftuch tragen. Zum Beispiel wiederholen sich die Fälle, in denen Arbeitgeber*innen ganz offen sagen, dass eine muslimische Bewerberin wegen ihres Kopftuches keinen Praktikumsplatz oder Job erhalte. Argumentiert wird dann direkt oder indirekt mit dem sogenannten „Neutralitätsgesetz“, das das Tragen religiöser Zeichen durch Lehrkräfte an Berliner Schulen verbietet, oder mit der kulturellen Unvereinbarkeit von Islam und Deutschland.

Die Beratungserfahrungen zeigen insbesondere auch, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen, um Betroffenen von Diskriminierung zu schützen.  Insbesondere muss es Nachbesserungen im AGG geben und darüber hinaus ein Landesantidiskriminierungsgesetz geschaffen werden, so wie die Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus es im letzten Jahre beantragt haben unter anderem mit nachfolgenden Regelungen:

  • Diskriminierung im Verwaltungshandeln müssen einbezogen werden
  • Die Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) muss weisungsunabhängig handeln und Akteneinsicht erhalten
  • Es muss für Antidiskriminierungsverbände eine Prozessstandschaft und ein Verbandsklagerecht eingeführt werden, so dass Verbände Prozesse für Betroffene führen können
  • Die Klagefrist für Betroffene muss von 2 auf 6 Monate erweitert werden
  • Es müssen unabhängige Beschwerdestellen im Bildungswesen und bei der Polizei eingerichtet werden

Den Antidiskriminierungsreport 2014-2015 können Sie hier einsehen.

Die TBB-Stellungnahme zu “10 Jahre Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Wirkungsvolles Gesetz mit Verbesserungsbedarf” können Sie hier einsehen.

Flyer Antidiskriminierungsreport des ADNB
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ADNB des TBB: Berlin-Tempelhof: Keine „deutsche Herkunft“ – kein Kleingarten!

Kleingartenverein in Tempelhof führt „Migranten-Quote“  und diskriminiert Bewerber_innen mit Migrationsgeschichte und Muslime

Zwei türkeistämmige Familien bemühen sich seit Jahren vergeblich um einen Kleingarten im Bereich des Bezirksverbands der Kleingärtner Tempelhof e.V..

Beim lokalen Kleingartenverein Frieden e.V. fand die Diskriminierung offen statt: die Bewerber wurden 2015 abgelehnt, weil man im Verein schon zu viele „Migranten“ hätte. Deshalb hätte der Verein eine „Migrantenquote“ von maximal 20% eingeführt. Ein deutscher Pass reiche nicht, es gehe um die „Herkunft“. Einem der Bewerber_innen wurde vom Vorstand der Gartenkolonie Frieden gesagt, er bekomme den Garten nicht, weil er „Moslem“ und nicht-deutscher Herkunft sei. Der Vorstand des Bezirksverbands der Kleingärtner in Tempelhof e.V., der die Gartenvergabe für die Gartenkolonien koordiniert, erklärte den Bewerber_innen ausführlich, die Quote sei angeblich nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erlaubt. Zudem wurde von dem türkeistämmigen Bewerber ein doppelt so hoher Abstandspreis für eine Laube in der Kolonie Frieden verlangt wie von seinem herkunftsdeutschen Bekannten, der sich für dieselbe Laube interessierte.

Die beiden Familien wehren sich seitdem mit Hilfe des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin des Türkischen Bunds Berlin-Brandenburg e.V.  gegen diese Diskriminierung  und hoffen noch immer auf einen Garten. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat sich der Vorgänge angenommen, scheitert jedoch bisher an seinen beschränkten Eingriffsmöglichkeiten und an der Uneinsichtigkeit des Bezirksverbands des Kleingärtner Tempelhof e.V. und der Gartenkolonie Frieden. Diese halten nach wie vor an der Diskriminierung fest. Die Laube für den doppelten Preis steht immer noch leer – unser Klient soll sie aber nicht bekommen.

„Eine glasklare Diskriminierung. Dass sogar mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz argumentiert wird, ist nahezu absurd. Das Gesetz wird hier vollkommen falsch interpretiert. Dass die Betroffenen noch immer keinen Garten haben, ist ein Skandal“, so Kerstin Kühn vom ADNB des TBB. „Dem Bezirk müssten hier eindeutig mehr Rechte eingeräumt werden, bei Diskriminierung im Sinne der Betroffenen zu intervenieren – es geht hier um gemeinnützige Kleingartenvereine, die ihr Angebot gerade nicht der Allgemeinheit zur Verfügung stellen!“

Kontakt:
ADNB des TBB, Kerstin Kühn, 030-61 30 53 28