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Erste Schritte zu einer Antidiskriminierungskultur auch für Deutschland

Am 15.12.2004 hat die Regierungskoalition endlich den Gesetzentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt. Die Frist für die ersten beiden Richtlinien war bereits im Jahre 2003 abgelaufen.

Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) des TBB begrüßt den Vorstoß der Bundesregierung im zivil- und arbeitsrechtlichen Bereich, einen Diskriminierungsschutz für alle in Art. 13 des Amsterdamer Vertrags (EGV) aufgeführten Merkmale (ethnische Herkunft, sexuelle Identität, Alter, Behinderung, Reli-gion und Weltanschauung und Geschlecht) zu etablieren. Dabei werden u.a. sowohl die Hautfarbe als auch die Staatsbürgerschaft unter dem Aspekt einer zugeschriebenen ethnischen Herkunft berücksich-tigt. Unbeachtet bleibt jedoch die Sprache, die ebenfalls zu einer vermeintlichen ethnischen Diskriminie-rung, wie z.B. im Falle von Aussiedlern, führen kann.

Ferner begrüßt das ADNB, dass sowohl der Anwendungsbereich als auch die Begriffsbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung, der Belästigung und sexuellen Belästigung den Vorgaben der Richtlinien entsprechen. Stark zu kritisieren ist jedoch in diesem Zusammenhang die Verwendung des Begriffs der „Rasse“. Die Erläuterungen der Bundesregierung entsprechen nicht der Verwendung im deutschen Sprachraum, in welchem der Begriff „Rasse“ als biologische und nicht als politische Kategorie (wie zum Beispiel im englischen Sprachraum) benutzt wird. Es gibt Rassismus als politische Kategorie, jedoch keine Rassen!
 
Das ADNB begrüßt das Konzept einer Antidiskriminierungsstelle, die für alle Diskriminierungstatbestände zuständig ist, vor allem vor dem Hintergrund der mehrfachen und intersektionellen Diskriminierung. Die Ansiedlung einer solchen Stelle an ein Bundesministerium entspricht jedoch unseres Erachtens nicht der Vorgabe der Richtlinie, eine unabhängige Unterstützung der Betroffenen zu gewährleisten. In Anbetracht der Regelung, dass das Amtsverhältnis der Leitung einer solchen Stelle mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestags enden könnte, sehen wir die Gefahr, dass der politische Handlungsspielraum dieser Stelle stark beeinträchtigt werden könnte. Zudem stellt sowohl die Einrichtung als auch die Finanzierung einer einzigen Stelle die Gewährleistung des Zugangs zur Beratung und somit zur Intervention stark in Frage.

Aus den Erfahrungen der „Beratungsstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung“ des ADNB wird deutlich, dass Menschen nicht-deutscher Herkunft Diskriminierungen bereits als alltäglich und „normal“ erleben. Diesem Aspekt kommt ebenfalls eine gleichstellungspolitische Bedeutung zu. Migrantinnen und Migranten bedürfen daher, wie auch Frauen, einer besonderen Ermutigung, sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Die von der Bundesregierung vorgesehen flankierenden Maßnahmen für die poten-tielle Opfergruppe der Frauen müssen auch für Migrantinnen und Migranten gelten. Das ADNB fordert in diesem Sinne entsprechende öffentlichkeitswirksame Informationskampagnen zu lancieren, wie sie in den Richtlinien vorgesehen sind.

Enttäuschend ist, dass Verbände, die für potentielle Opfergruppen eintreten, nach dem Gesetzentwurf über kein „echtes“ Verbandsklagerecht verfügen werden. Zwar gelten für Verbände bestimmte Beteili-gungsrechte, ein „echtes“ Verbandsklagerecht bleibt jedoch aus. Gerade das Verbandsklagerecht könnte jedoch eine effektive Möglichkeit darstellen, über ein eigenständiges Klagerecht, einer strukturell und institutionell bedingten Diskriminierung entgegenzutreten.

Ein weiteres Problem für die Betroffenen sehen wir bei der Glaubhaftmachung, dass eine Diskriminierung vorliegt. Neben der klar zu identifizierenden direkten Diskriminierung („Keine Ausländer!“) erleben Men-schen nicht-deutscher Herkunft zu oft die subtilere Form der indirekten Diskriminierung. Unseres Erach-tens beruht der Aspekt der Glaubhaftmachung letztendlich auch auf der subjektiven Wahrnehmung und Interpretation der Richterinnen und Richter. Um die Form der indirekten Diskriminierung nicht außer Acht zu lassen, sind Sensibilisierungsmaßnahmen für Richterinnen und Richter und die Entwicklung von Krite-rien, die auf diese Form der Diskriminierung verweisen können, notwendig.

Die unabhängigen Antidiskriminierungsberatungsstellen werden das Gesetz in der Praxis prüfen. Die zukünftigen Erfahrungen werden zeigen, in wie weit sich das Gesetz als Instrumentarium gegen Benach-teiligung und Diskriminierung in der Praxis bewähren wird.


Florencio Chicote
(Projektkoordinator – ADNB des TBB)

Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) ist ein Projekt des TBB und setzt sich für Menschen nicht-deutscher Herkunft und People of Colour ein, die aufgrund ihrer Herkunft, und/oder weiterer Merkmale wie sexuelle Orientie-rung, Alter, Geschlecht, Religion oder einer Behinderung diskriminiert werden bzw. wurden.