KliK-Workshop 9: „Das Klima und wir”

von Dr. Maria Martin

(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V.)

8.9.2023

Modul 1 ­– Grundlagen

Nach der Sommerpause treffen wir uns heute mit Dr. Maria Martin vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Wissenschaftspark Albert Einstein, wo auch andere Institute wie u.a. ein Standort des Deutschen Wetterdienstes beheimatet sind. Nachdem sie uns für rund eine Stunde durch das Gelände geführt und dessen bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Geschichte geschildert hat, kehren wir in einen ursprünglich astrophysikalischen Zwecken dienenden Kuppelraum ein, wo wir mehr über Klimafolgenforschung erfahren werden. Ihren Vortrag eröffnet Frau Martin mit ein paar schönen biographischen Anekdoten. Themen, die sie aktuell beschäftigen, sind planetare Grenzen, fossile Brennstoffe und klimatische Kipppunkte, an denen sich das globale Zusammenspiel unterschiedlicher Ökosysteme rapide verändern und sehr viel krisenhafter werden würde als bisher.

Die Geschichte das PIK reicht bis zum Anfang der 1990er Jahre zurück. Gründungsdirektor Hans Joachim Schellnhuber habe damals ein kleines Team versammelt, um die vielen Facetten des Klimawandels zu erforschen. 2015 habe das PIK schließlich rund 200 Mitarbeiter*innen gehabt. Es gibt hier vier Forschungsabteilungen: (1.) Die Erdsystemanalyse, die sich mit harten naturwissenschaftlichen Fakten beschäftigt, (2.) die Klimaresilienzforschung, die sich damit befasst, wie sich klimatische Veränderungen auf die Lebensbedingungen von Menschen auswirken, (3.) Transformationspfade, wo es um die Frage geht, wie sich ökonomischer Wohlstand erhalten lässt, wenn sich dessen ökologische Voraussetzungen verschieben und (4.) die Komplexitätsforschung, die das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen und ökologischen Systemen in den Fokus nimmt. Hier gehe es u.a. auch um künstliche Intelligenz.

Aktuell gibt es zwei Hauptthemen am PIK: Globale Gemeinschaftsgüter und planetare Grenzen. Bspw. die Atmosphäre teilen sich alle Menschen. Wenn bestimmte Ressourcen wie saubere Luft nicht mehr zur Verfügung stehen, hat das Auswirkungen für alle. Nachdem uns Frau Martin wichtige wissenschaftliche Grundlagen vermittelt und darauf hingewiesen hat, dass sich das Klima zwar schon immer verändert hat, aber nicht so wie aktuell, spricht sie ausführlicher über das Problem der Verbrennung fossiler Brennstoffe seit der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert und den Treibhauseffekt. Dieser sei zwar nicht neu und sogar notwendig für unser Überleben auf dem Planeten Erde, weil es sonst zu kalt für viele Lebensformen wäre. Zu Beginn der Industrialisierung hätte es jedoch in der Atmosphäre im Verhältnis zu einer Millionen anderen Teilchen (parts per million, kurz: ppm) 280 CO2-Moleküle gegeben. Aktuell wären es schon über 400 eine rapide ansteigende Zahl, die naturwissenschaftlich betrachtet einen enormen und auch gefährlichen Unterschied macht.   

Das Klima ist die Kleidung, die sich im Koffer befindet, das Wetter wiederum die Kleidung, die jeweils daraus entnommen wird, meint Frau Martin später. Das Klima beinhaltet mögliche Wetterlagen und Potentiale, die sich in ihm manifestieren und entfalten können. Bereits in den 1980er Jahren wurde von verschiedenen Seiten auf eine globale Verschiebung des Klimas hingewiesen, das nun eigentlich einen anderen Koffer erfordert, denkt Stefan, während er Frau Martins Ausführungen folgt. Gegenwärtig müssen wir uns in den meisten Regionen der Welt auf eine Häufung und Intensivierung extremer Wetterereignisse einstellen. Jetzt zeigt uns Frau Martin zentrale Marker des Klimawandels: Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die aktuell so hoch ist wie seit zwei Millionen Jahren nicht mehr, steigende Meeresspiegel, wegschmelzende Eismassen überall auf der Welt usw. Am PIK wird viel Forschung zu Kippelementen durchgeführt. Kipppunkte sind Schwellen im Klimasystem, die gravierende Umbrüche mit sich bringen und im schlimmsten Fall zum Kollaps ökologischer oder geophysikalischer Systeme führen. Frau Martin verweist auf das Übereinkommen von Paris (ÜvP) von 2015, in dessen Rahmen sich Politiker*innen aus aller Welt darauf geeinigt hatten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um unter zwei Grad Erderwärmung gegenüber vorindustriellen Zeiten zu bleiben. Das ist eine Zielvorgabe, die leider gerade nicht wirklich umgesetzt wird. Neben Versäumnissen der Politik spielt hier leider auch unser individuelles Verhalten eine destruktive Rolle.

Am PIK wird ebenfalls interdisziplinäre Forschung bzgl. der Frage betrieben, wie innerhalb der planetaren Grenzen ein gutes Leben für alle gelingen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass wir unsere Ernährung, unseren Konsum und unsere Mobilität grundlegend auf mehr Nachhaltigkeit umstellen. Ein weiterer Ansatz nennt sich Divestment. Hierbei handelt es sich um den Rückzug von Geldflüssen bspw. aus Sektoren, die in fossile Brennstoffe investieren. Am Ende ihres Vortrags erwähnt Frau Martin noch die Bewegung Scientists for Future, die sich der Verantwortung von Wissenschaftler*innen für klimapolitische Prozesse bewusst ist und sich entsprechend engagiert.

Nach unserem Applaus für Frau Martins ausführlichen Input steigen wir in die Diskussion ein. Thanh will wissen, auf welcher Basis zwei Grad Erderwärmung als Kipppunkt definiert werden, woraufhin Frau Martin auf komplexe Berechnungen verweist, die von Computern angestellt werden. Ein solcher Großrechner befindet sich im Keller eines der PIK-Gebäude und produziert im Winter auch Heizenergie. Vinh verweist in seinem Redebeitrag auf Simulationsmodelle, die zeigen, wie klimatische Verhältnisse an bestimmten Schwellen kippen. Steph will wissen, ob es nicht fairer wäre, Kipppunkte lokal statt global zu definieren, worauf Frau Martin mit dem Hinweis reagiert, dass es bei den globalen Kipppunkten darum geht, dass eine Ursache an einem Ort eben zum Kippen an einem anderen Ort und Auswirkungen wieder noch woanders führen kann. Stefan ist erstaunt über die Wechselwirkung sehr vieler Ökosysteme, die sich im Verlauf des aktuellen Klimawandels immer weiter verschiebt. Vinh macht sich Sorgen über die unter Leugner*innen der Klimakrise weit verbreitete Meinung, unser Klima hätte schon immer Schwankungen unterlegen, was Frau Martin nicht bestreitet. Gleichzeitig verweist sie auf die Tatsache des seit Längerem stattfindenden, beisspiellos schnellen Anstiegs der Kurve, die Durchschnittstemperaturen abbildet.

Später berichtet Thanh von der Idee, Meerwasser zu entsalzen, um daraus Trinkwasser zu gewinnen. Frau Martin erwidert, das sei zwar prinzipiell eine Option. In Regionen, die weiter weg vom Meer liegen, wäre dann aber der Transport sehr aufwendig und ökologisch wenig sinnvoll. Sophie will wissen, woran Frau Martin gerade forscht. Sie antwortet, sie beschäftige sich mit der erdgeschichtlichen Epoche des Holozäns, in dem sich viele Hochkulturen entwickelten und das zwölftausend Jahre dauerte. Demnächst würde ein neues Forschungspapier des PIK veröffentlicht, das aufzeigt, dass aktuell sechs von neun planetaren Grenzen bereits überschritten sind. Stefan fragt Frau Martin nach ihrer Einschätzung zum Beginn des Anthropozäns als Zeitalter des Menschen, das Geolog*innen zufolge auf das Holozän folgte. Sie meint, einen zeitlichen Anfang zu setzen sei ihr nicht so wichtig wie die Feststellung, dass wir uns gerade mitten in diesem Erdzeitalter befinden. Thanh berichtet kritisch von Festen in Vietnam, in denen das Anzünden von Puppen eine wichtige Rolle spielen. Hierauf meint Frau Martin, die Verbrennung von Material, das noch vor kurzem CO2 aus der Luft bezogen hat, sei weniger fatal als die Nutzung fossiler Brennstoffe, die über sehr viel längere Zeiträume unterirdisch sedimentiert wurden. Überhaupt findet sie es problematisch, andere Länder aus europäischer Perspektive über deren Umweltbewusstsein zu belehren. Gegen Ende unseres Austauschs mit Frau Martin erwähnt Vinh den Science Fiction-Traum, mit riesigen Schirmen im Weltraum Sonnenlicht abzufangen, um daraus Energie zu gewinnen. Frau Martin hält das für keine allzu gute Idee, weil diese Technologie zunächst sehr viel Energie verbrauchen und auch CO2 freisetzen würde. Außerdem würden noch Jahrzehnte vergehen, bis solche Projekte realisiert werden könnten. Bis dahin wären schon manche klimatische Kipppunkte überschritten und die Erderwärmung bei vier bis fünf Grad. Marinette findet es nicht gut, dass eine privilegierte Minderheit wichtige Entscheidungen trifft, um das Klima zu retten und dabei nur auf technologische Lösungen setzt.

Frau Martin stimmt ihr zu und unterstreicht, dass es nicht nur eine einzige Lösung für die Klimakrise gibt. Was aber definitiv  unabdingbar ist,  sei möglichst bald damit aufzuhören, fossilen Brennstoff aus der Erde ans Tageslicht zu holen und ihn energetisch zu nutzen. Zum Schluss bekommt die Workshopleiterin des heutigen Nachmittags noch einen letzten längeren Applaus. Nicht nur ihre Führung durch das Gelände des Albert Einstein Wissenschaftsparks in Potsdam und ihr zugleich lehrreicher und unterhaltsamer Vortrag zur Klimafolgenforschung, sondern auch die anschließende Diskussionsrunde haben uns alle sehr bereichert.

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)




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Exkursion 2: „Die Klima-Monologe“ von Michael Ruf im Heimathafen Neukölln

9.7.2023

Modul 1 – Grundlagen: Klimawandel, Klimaschutz, Klimagerechtigkeit

Heute Abend besuchen wir gemeinsam eine Aufführung des dokumentarischen Theaterstücks Die Klima-Monologe des weißen Regisseurs Michael Ruf. „Dürren, Überschwemmungen, Stürme. Unbewohnbare Zonen und Verteilungskämpfe breiten sich aus. Das Zeitfenster, das noch zum Handeln bleibt, wird immer kleiner“, heißt es im Ankündigungstext auf der Homepage des Heimathafens Neukölln, wo die Produktion schon seit November letzten Jahres zu sehen ist.

Bevor er mit den Proben begonnen hat, führte Ruf Interviews vor allem mit Menschen des globalen Südens. In ihnen erzählten sie ihm, wie sie die Klimakrise auf jeweils spezifische Weise erleben: Manchen werden seit vielen Jahren regelmäßig lebensnotwendige Ernten vernichtet, andere leiden an Hunger bzw. Unterernährung oder haben durch Naturkatastrophen sogar ihre Häuser oder Familienangehörigen verloren. Viele sind auf der Flucht in Länder, die noch bewohnbarer sind als die Regionen, aus denen sie aufgrund der Erderwärmung geflohen sind.

Die Schauspieler*innen, größtenteils People of Color, die nebeneinander an der Bühnenrampe positioniert sind, sprechen die Texte, die Ruf im Vorfeld transkribiert und miteinander montiert hat, auf zugleich distanzierte und einfühlsame Weise, zwischendurch immer wieder begleitet von zwei Musiker*innen, die im Hintergrund auf einem Klavier und einem Cello traurige Melodien spielen. Schnell sind die Zuschauer*innen im Saal emotional ergriffen, manche sogar zu Tränen gerührt. Nach dem Applaus betritt der Regisseur die Bühne und geht für etwa eine Dreiviertelstunde mit zwei Gästen der Frage nach, was wir jeweils in unserem Alltag tun können, um zu vermeiden, dass in den nächsten Jahren folgenreiche Kipppunkte überschritten werden, durch die sich extreme Wetterereignisse überall auf der Welt multiplizieren würden.

Nachdenklich verabschieden wir uns am Ende in die Sommerpause und freuen uns trotz allem auf unser Wiedersehen am 8. September im Rahmen des neunten KliK-Workshops am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e.V.

https://heimathafen-neukoelln.de/events/die-klima-monologe/


Quelle: Der YouTube-Kanal des Tagesspiegels.

KliK-Workshop 8: „Floating University Berlin – Hybride Infrastruktur und Natur-Kultur Lernort”

von Silja Teresa Huppertz

(Floating e.V.)

8.6.2023

Modul 4 ­– Natur im Kiez

Mit rund 30 Grad Celsius ist es heute sehr heiß für einen Berliner Nachmittag im frühen Juni. Im Regenrückhaltebecken des ehemaligen Tempelhofer Flughafens, in dem sich wegen der Trockenheit der letzten Wochen aktuell fast kein Wasser befindet, begrüßt uns Teresa. Sie erzählt uns, dass erste Initiativen zur Gestaltung des Geländes vor rund zehn Jahren vom raumlaborberlin kamen, einem Kollektiv von Architekt*innen, das 2021 auf der Kunstbiennale in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hat. Teresas Verein ist dann 2017 mit dem Ziel gegründet worden, das Areal zwischen Tempelhofer Feld und Hasenheide längerfristig als hybriden Ort des gemeinsamen Lernens verschiedener ökologischer Praktiken zu nutzen. Im Hintergrund hören wir zahlreiche Krähen, die hier leben. Leider darf sich die Floating University nicht als solche bezeichnen, obwohl sie in der Tat ein alternativer Lernort ist, in den alle ihre jeweilige Expertise einbringen können. Heute gibt es keinen Schilfgürtel mehr, so dass Wasser, wenn es denn mal regnet, noch schneller abfließt als zuvor.

Insgesamt befindet sich hier alles im Fluss: Die Gebäude und Pavillons, die Holzstege dazwischen, die Veranstaltungsformate, die Praktiken, die Menschen. Teresa führt uns zu einem der vergitterten Tunneleingänge, wo wir Pfützen sehen und Frösche hören, die sich davor angesiedelt haben. Unser weiterer Weg führt uns an einem Insektenhaus und einer Sauna vorbei, vor der gerade jemand Pflanzen gießt. Teresa meint, früher wäre dieser Raum für Ausstellungen genutzt worden. Dann passieren wir den Garten des schlechten Gewissens, der letztes Jahr im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit dem Goethe-Institut angelegt worden sei, um Emissionen auszugleichen.

Jetzt betreten wir ein zweigeschössiges Holzhaus, das ursprünglich für eine Ausstellung im Haus der Kulturen der WELT (HKW) errichtet wurde und dann hierher umgezogen ist. Der sogenannte Urban Forest dient Floating e.V. als Arbeits- und Versammlungsraum. Außerdem finden hin und wieder Workshops in ihm statt – demnächst einer zu verschiedenen Methoden des Kompostierens. Nachdem wir uns an einem größeren Konferenztisch länger über kommende Veranstaltungen der Floating University ausgetauscht haben, führt Teresa uns über eine kleine Brücke zu den Toiletten. In der Mitte zwischen den einzelnen Kabinen ist ein Wasserbecken installiert worden, das Regenwasser speichert. Der Hahn zum Händewaschen und mehrere Gießkannen sind ebenfalls hier, so dass keine weiteren Ressourcen für die Spülung verbraucht werden müssen. Später bemerkt Vinh in der Nähe leere Badewannen, die sich neben einem der Holzstege befinden und von einem Kunstprojekt stammen.

Teresa sagt uns, die gegenseitige „Bestäubung“ von Ideen und Praktiken sei enorm wichtig für die Floating University als Prozess aller an ihr Beteiligten. Sie zeigt uns die Küche und sagt, das Konzept der Permakultur, also die Selbstregulierung von Ökosystemen, spiele ebenfalls eine wichtige Rolle für ihren Verein. Bevor wir in der Bar eine kurze Pause einlegen und uns mit kalten Getränken eindecken, zeigt uns Teresa noch Schläuche, durch die das Wasser vom Regenrückhaltebecken zu verschiedenen Orten auf dem Gelände wie bspw. dem Kids Pool gepumpt und auch gefiltert werden kann. Nach der Pause bilden wir im überdachten Auditorium einen Stuhlkreis. Unsere Workshopleiterin zeigt uns einen Baum, der dort steht. Sie erzählt, dass er eigentlich zusammen mit dem Schilfgürtel entfernt hätte werden sollen, dann aber hierher umgepflanzt und so gerettet wurde.

Nun beginnt der Praxisteil des heutigen Tages. Wir werden dazu aufgefordert, für fünf Minuten die Augen zu schließen und uns auf unsere akustische Wahrnehmung zu konzentrieren. Remzi bittet darum, aufgeweckt zu werden, sollte er dabei einschlafen. Wie sich schnell herausstellt, ist die folgende Stille voller Geräusche. Neben den anderen Menschen, Krähen und weiteren Vögeln auf dem Gelände sowie entfernten Kirchenglocken hören wir Insekten und seichten Wind. Teresa schildert, die Methode des Deep Listening helfe dabei, sich die Hybridität von Orten bewusst zu machen, die von vielen Lebensformen gleichzeitig bewohnt werden und zwischen Natur und Kultur angesiedelt sind. Auf einem Tisch liegen Papier und Stifte bereitet. Wir haben die Aufgabe, in der nächsten halben Stunde die jeweiligen Erfahrungen, die wir gerade gemacht haben, zur Darstellung zu bringen: Das könnten Texte oder Zeichnungen sein, aber auch Skizzen und andere Formen sind möglich. „Freiwillige vor“, meint Teresa später, bietet an, unsere Werke auf der Homepage der  Floating University zu veröffentlichen und fragt, wer von uns mit der Präsentation beginnen mag. Auf dem Boden in der Mitte unseres Stuhlkreises liegen eine Reihe von Zeichnungen, über die wir uns zunächst austauschen. Den Anfang macht dann Valentina mit ihrem Märchen über einen von Betonierung bedrohten, bühnenscheuen Baum und eine in ihm lebende Maus. Marie Antoinette lässt das an die massive Abholzung des Regenwalds in Kamerun u.a. für europäische Möbelfirmen denken, was uns wiederum dazu bringt, kurz über den in Geld bemessenen Wert von Bäumen zu sprechen. Daraufhin verliest Sallaheddin einen poetisch gestalteten Erfahrungsbericht, gefolgt von Elizabeth, die ein auf Englisch verfasstes Gedicht vorträgt und Marie Antoinette mit einem französischen Prosatext. Schließlich stellt Ali ein auf Deutsch und Arabisch formuliertes Erfahrungsprotokoll vor. Der heutige Workshop lässt uns erkennen wie wichtig es ist, ökologische Zusammenhänge nicht nur zu verstehen, sondern auch ästhetisch zu erleben. So bekommt dann am Ende Teresa einen längeren Applaus, weil sie uns in den letzten Stunden dazu angehalten hat, auf sehr besondere und auch schöne Weise von- und miteinander zu lernen.

FLOATING BERLIN (floating-berlin.org)




KliK-Workshop 7: „Reparieren als ökologisch-soziale Praxis“

von Norbert Boenigk, Anya Geisthardt und Manuel Schröder

(NOCHMALL / Repair Café Reinickendorf)

11.5.2023

Modul 2 ­– Klimabewusster Haushalt / Modul 5 – Nachhaltiger Konsum

Jeden Donnerstag von 15:00 bis 19:30 findet in der NOCHMALL in Reinickendorf ein Repair Café statt, in dessen Rahmen sich Berliner Bürger*innen versammeln, um unter Anleitung sachkundiger Ehrenamtlicher defekte Haushaltsgeräte wie Lampen, Staubsauger oder Lautsprecher zu reparieren. Es gibt sowohl nationale als auch internationale Netzwerke, in denen sich Menschen organisieren, die sowohl aus ökologischen als auch aus sozialen Gründen weniger Dinge wegwerfen wollen, indem sie diese in einer gemeinsamen Praxis des von- und miteinander Lernens wieder in Stand setzen. Wer mehr über die Geschichte dieser Bewegung erfahren will, kann hier eine Open Access-Publikation dazu lesen, auf die uns Manuel Schröder im Vorfeld des heutigen Workshops hingewiesen hat.

Bevor wir ihn und Norbert Boenigk in der Werkstatt im 1. Stock treffen, um nach einer Einführung ins Thema durch Manu zusammen zu Schrauben und Norbert beim Löten über die Schulter zu schauen, treffen wir am Eingang der NOCHMALL Anya Geisthardt, die uns durch das erste Gebrauchtwarenkaufhaus Berlins führen und dessen Unterschiede zu Sozialkaufhäusern erklären wird. Zunächst gehen wir in die Warenannahme, wo Anya uns erzählt, dass hier täglich neben alten Möbeln acht große Kisten mit Kleidung, Medien und Elektrogeräten abgegeben werden, von denen allerdings jeweils zwei entsorgt werden müssen, weil sie sich leider nicht mehr aufbereiten und nochmals verkaufen lassen. In der Waschstraße wird der in der NOCHMALL abgegebene Hausrat gesäubert und für den Verkauf vorbereitet, wobei für Geschirr Einheitspreise von bspw. einem Euro pro Glas gelten. Rodrigue findet heraus, dass Ordner denselben Preis haben. Marie Antoinette findet eine alte ghanaische Maske, deren monetären Wert Anya auf 12-15 Euro schätzt. Jetzt führt sie uns am Textilbereich vorbei in den Elektronikbereich, wo alle Geräte, die in den Verkauf gehen, ein Prüfsiegel erhalten. Auf sie gibt es dann ein Jahr Garantie.

Nachdem wir ein altes Fahrrad passiert haben, erkundigen sich Elizabeth und Marinette nach Rabattaktionen für Vereine. Thanh will wissen, seit wann die NOCHMALL in Betrieb ist. Anya meint, die Ladenfläche sei im August 2020 eröffnet worden und würde bis 2027 vermittels einer Anschubfinanzierung durch die BSR unterstützt, müsse jedoch bis dahin schwarze Zahlen schreiben. Den größten Umsatz mache sie aktuell mit Möbeln. Jetzt gehen wir in die Spielwarenabteilung, wo wir erfahren, dass die NOCHMALL eine heterogene Kundschaft habe.

Im Anschluss besuchen wir die Textilabteilung, wo wir erneut über den Unterschied zwischen Gebraucht- und Sozialkaufhäusern sprechen und kurz an einem wiederaufbereiteten Holzschredder pausieren, um dann den Green Brands-Bereich zu betreten, wo höherpreisige Upcycling-Produkte angeboten werden, wie Thanh schnell bemerkt. Bisher haben wir uns im Erdgeschoss der NOCHMALL aufgehalten. Nun begeben wir uns in den 1. Stock. Zuvor entdeckt Sallaheddin am Treppenabsatz ein altes Klavier. Oben ist die Medienabteilung, in der sich neben Büchern auch CDs, DVDs und andere Datenträger befinden. Gegen Ende der Führung kehren wir im Café ein, wo Gemälde hängen, die wie manche der Möbel dort ebenfalls verkäufliche Produkte sind. Zuletzt führt uns Anya in die daneben liegende Werkstatt, wo das Repair Café situiert ist und unser heutiger Workshop mit Manu und Nobert stattfinden wird. Hier ist auch eine Bühne, auf der regelmäßig Auktionen stattfinden, wobei es die NOCHMALL während ihrer Eröffnung mitten in der Pandemie nicht einfach gehabt habe.

Nach einem Applaus für Anya übernehmen jetzt Manu und Norbert. Manus Einführung fokussiert die Verschränkung der ökologischen und sozialen Aspekte der Praxis des kollektiven Reparierens, darf jedoch leider nicht mitgeschnitten oder anderweitig dokumentiert werden. Während ein Teil der Gruppe noch seinen Worten lauscht, begibt sich ein anderer zu Norberts Arbeitstisch, wo er gerade eine Stehlampe repariert, die Stefan mitgebracht hat. Zwischendurch präsentiert ihm eine andere Teilnehmerin des heutigen Repair Cafés einen alten Laptop, dessen Bildschirm nur noch Streifen zeigt, was Norbert auf eine defekte Grafikkarte zurückführt. Sein Motto sei „Machen, nicht quatschen“. Vinh überreicht ihm einen französischen Mixer aus den 1960er Jahren, den er aufschraubt, um sein Inneres näher zu begutachten. Er selbst würde immer wieder Neues lernen, wenn er ein Gerät öffne und seine Funktionsweise analysiere. Auf Sophies Frage hin, was er besonders gerne repariere, antwortet Norbert, ihm graue es vor nichts. Nachdem auch Vinhs Gerät wieder läuft, wirft er wie alle anderen zuvor Geld in eine Spendenkasse. Mehrere Mitglieder der KliK-Gruppe sind nach dem heutigen Tag fest entschlossen, sich bald aktiv an Repair Cafés in ihren Kiezen zu beteiligen. Elizabeth bspw. will dort ihre Expertise mit Computerplatinen einbringen, da sie früher ganze Rechner eigenständig zusammengebaut habe. Der heutige Tag hat sich also gelohnt und wird weitere Effekte zeitigen.

NochMall Gebrauchtwarenkaufhaus | NochMall – Das Gebrauchtwarenkaufhaus der BSR




Exkursion 1: Die Ausstellung „Reparieren!“ im Deutschen Technikmuseum

22.4.2023

Modul 5 – Nachhaltiger Konsum

An einem sonnigen Samstag Nachmittag trifft sich die KliK-Gruppe im Deutschen Technikmuseum, um gemeinsam die Ausstellung Reparieren! zu besuchen, die dort vom 7.12.2022 bis zum 3.9.2023 zu sehen ist. In Vorbereitung auf einen unserer kommenden Workshops zum Thema regen uns die ausgestellten Objekte dazu an, uns erste Gedanken über den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Produktionsweise, Wegwerfgesellschaften und Möglichkeiten der Müllvermeidung durch die Praxis des Reparierens zu machen. Viele Alltagsgegenstände, von Möbeln über Kleidung bis hin zu Elektrogeräten, müssen nicht unbedingt auf dem Müll landen. Sie lassen sich auch wiederaufbereiten, nachdem sie scheinbar kaputt gegangen sind.

Nach dem Besuch der Ausstellung im Deutschen Technikmuseum freuen wir uns nun umso mehr, bald praktischer ins Thema einzutauchen und im Rahmen des vor uns liegenden Workshops zu lernen, wie wir mit Hilfe einfacher Werkzeuge selbst Hand anlegen können, um durch die nachhaltige Reparatur von Waren nicht nur Müll zu vermeiden, sondern auch zusammen mit anderen in ehrenamtlichen Werkstätten tätig zu sein.

https://technikmuseum.berlin/ausstellungen/sonderausstellungen/reparieren/


KliK-Workshop 6: „Klimaschutz auf dem Teller – Potentiale nachhaltiger Ernährung“

von Janina Hielscher

(Domäne Dahlem)

18.4.2023

Modul 3 ­– Nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung

Am Brunnen vor dem Herrenhaus treffen wir Antonia Isabelle Weisz von der Domäne Dahlem und Janina Hielscher, die den heutigen Workshop leiten wird. Das im 16. Jahrhundert erbaute Herrenhaus ist das älteste Wohnhaus Berlins, in dem sich heute ein Museum befindet. Antonia kündigt an, uns kurz über das Gelände zu den Feldern führen und etwas zur Entstehung der Domäne erzählen zu wollen, bevor Janina dann in den Ausstellungsräumen des Culinariums, einem sanierten Pferdestall aus dem 19. Jahrhundert, ihr Wissen mit uns teilen wird. Die Domäne Dahlem bietet Berliner*innen nicht nur die Möglichkeit, etwas über die Geschichte der Landwirtschaft zu lernen, sondern auch praktisch tätig zu werden, etwa im Rahmen einer jährlichen Kartoffelernte oder auf einer der Streuobstwiesen. Antonia betont, wie wichtig es gerade für Kinder und Jugendliche ist, Erfahrungen auf dem Land zu machen.

In den oberen Ausstellungsräumen des Culinariums erwartet uns später ein Halbkreis aus Stühlen. Als alle Platz genommen haben beginnt Janina, die in der Slow Food-Bewegung engagiert ist, mit ihrer Präsentation über die Potentiale nachhaltiger Ernährung. Nach einer kurzen Einführung ins Thema will sie wissen, wie wir uns ernähren. Ali meint, er koche gerne Gemüse. Stefan gesteht, zu viel Fleisch zu konsumieren. Rodrigue und Vinh essen alles, am liebsten aber Fisch. Sophie bevorzugt vegane und vegetarische Speisen. Thanh will mehr über gesunde Ernährung erfahren. Valentina erzählt uns, sie sei in einem sibirischen Dorf aufgewachsen, wo sie als junges Mädchen sogar Kühe gemolken und Brot gebacken habe. Elizabeth isst gerne international und liebt Obst. Marinette versucht, Fleisch zu vermeiden. Alle sind sich einig, dass Bio-Produkte anderen zu bevorzugen, aber leider oft zu teuer sind.

Im Anschluss meint Antonia, Debatten um nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung wären ergiebiger, wenn sie sich statt um Sündenböcke um die Frage drehen würden, was wir jeweils konkret im Alltag tun können. Ernährung ist etwas sehr Persönliches. Trotzdem sind Esskulturen in Treibhausgase verstrickt: Einer neuen Studie zufolge hängen 35% aller weltweiten Emissionen mit unserer Ernährung zusammen. Von diesen 35% wiederum gehen 60% auf tierische Lebensmittel zurück, v.a. auf Fleisch und Milchprodukte. Neben der Herstellung von Nahrungsmitteln verursachen deren Transportwege viel CO2, und zwar bis hin zu den Endverbraucher*innen. Regelmäßig mit dem Auto zum Biomarkt zu fahren sei also nicht unbedingt ökologisch besser als gar nicht dort einkaufen zu gehen. 

Um die Komplexität des heutigen Themas anschaulich zu machen, zeigt uns Janina einen kurzen Videoclip: Wenn Essen auf unsere Teller kommt, hat es oft schon einen weiten Weg hinter sich. Wie viel Treibhausgase freigesetzt werden, hängt auch von den Produktionsbedingungen unserer Nahrung ab. So werden etwa in Südamerika Wälder gerodet, um Soja anzupflanzen, das wiederum u.a. in Europa zur Mästung von Nutztieren dient. Am besten wäre es deshalb, den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren. Da im Video auch von trocken gelegten Mooren die Rede war, erinnert sich Mustafa an unseren letzten Workshop. Janina sagt, ein Problem europäischer Agrarpolitik sei die Kopplung von Subventionen an die Größe von Feldern, wodurch die Monokulturen konventioneller Landwirtschaft begünstigt würden. Biologische Landwirtschaft komme mit kleineren Flächen aus, die sie jedoch immer wieder anders nutze. Pestizide tragen ebenfalls zur Emission von Treibhausgasen bei. Ein weiteres Problem sei der Wasserverbrauch von Wiederkäuern: Janina bittet uns darum zu schätzen, wie viel Liter Wasser für die Herstellung eines Kilos Rindfleisch benötigt werden. Alle liegen mit ihren Einschätzungen falsch und können nicht glauben, dass hierfür 15.000 Liter verbraucht werden. Nicht nur deshalb sei es gut, zumindest teilweise Fleisch durch Hülsenfrüchte wie Bohnen und Erbsen zu ersetzen. Hilfreich sei insgesamt, mehr regional und saisonal zu essen und weniger wegzuwerfen. In Deutschland landen jedes Jahr pro Kopf 75 Kilo an Nahrungsmitteln in der Tonne, was zu vermeiden wäre.

Der nächste Teil des Workshops führt uns ins Erdgeschoss des Culinariums zu einer dort ausgestellten Kuh. Valentina schildert Marinette, die auf einem kleinen Holzschemel Platz genommen hat, wie diese gemolken werden sollte. Ein neben der Attrappe angebrachtes Hinweisschild informiert uns darüber, dass hochgezüchtete Kühe aktuell ein Vielfaches der Milch derjenigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts liefern. Janina bedauert den schnellen Lebensstil vieler heutiger Menschen als eine der Ursachen für solche Phänomene. Nachdem wir uns auf mehreren Etagen individuell weitere Exponate angesehen haben, besuchen wir die Ausstellung im oberen Stockwerk, bevor wir abschließend über die Politik des Essens sprechen. Marinette findet die hohen Preise von Bioprodukten schade. Elizabeth und Valentina thematisieren zu große Einkäufe. Mustafa macht sich Sorgen über zukünftigen Wassermangel auch in Deutschland, hätte gerne mehr über die richtige Lagerung von Lebensmitteln erfahren und hält Ananas als reine Deko für eine ökologische Schande. Am Ende hofft Janina, dass mehr Menschen den Wert von Lebensmitteln verstehen und unnötigen Müll vermeiden.

Domäne Dahlem – Landgut und Museum (domaene-dahlem.de)




KliK-Workshop 5: „Klimaschutz im Ökowerk“

von Dr. Karin Drong

(Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin e.V.)

18.3.2023

Modul 4 ­– Natur im Kiez 

Nach den Gefriertemperaturen der letzten Tage ist es heute plötzlich 18 Grad warm: Das perfekte Wetter für einen Ausflug zum Ökowerk am Teufelssee im Grunewald. Auf dem Gelände des ältesten noch erhaltenen Wasserwerks Berlins, das nach seiner Außerbetriebnahme vor über 50 Jahren vom Dampfmaschinenbetrieb in ein Naturschutzzentrum umgewandelt wurde, begrüßt uns Karin. Im Hintergrund hören wir einen Wassersprudler, über den wir später mehr erfahren werden. Karin führt Veranstaltungen durch, in deren Rahmen die Bürger*innen der Stadt etwas über die Ökologie des Teufelssees sowie des angrenzenden Teufelsmoores lernen können. Nachdem sie uns in die Programmatik des Ökowerks eingeführt und einen Workshop mit praktischen Elementen angekündigt hat, fragt sie uns nach unseren jeweiligen Zugängen zum Thema Klimawandel. Obwohl noch nicht alle ihren Weg ins Naturschutzzentrum gefunden haben, machen wir eine Vorstellungsrunde. Danach fasst Karin die Vereinsgeschichte ihrer Organisation zusammen und erzählt uns, dass ein wichtiges Anliegen des 1985 gegründeten Ökowerks darin besteht, die Pegelstände des Teufelssees und des ihn umgebenden Teufelsmoores zu halten, nachdem sie erstens von 1873 bis 1969 durch das Wasserwerk und zweitens aktuell mit der ungleich höheren Wasserentnahme der Brunnengalerie an der Havel und wohl auch mit dem Klimawandel gesunken sind. Damit geht der Versuch einher, die Habitate verschiedener Tierarten wiederherzustellen, die schon fast vollständig zerstört worden waren.

Karin meint, dass ein sinnliches Erleben ökologischer Zusammenhänge wichtig ist, um die eher abstrakte Klimakrise richtig einordnen zu können. Dieser Aufgabe widmen sich die bildungspolitischen Programme des Ökowerks. Dem Team liegt daran, dass nicht nur eher privilegierte Gesellschaftsschichten entsprechende Angebote wahrnehmen. Deswegen gibt es mit dem Leben im Großstadtdschungel (LiG) ein spezielles Angebot für Schulen mit besonderen Konditionen. Nachdem Karin uns vom Moor als Lebensraum für Amphibien und Insekten berichtet hat, beginnen wir mit der praktischen Übung des heutigen Nachmittags: Aus Lehm kneten wir Saatpralinen. Karin beklagt, dass die Erde, die heute bspw. in Blumencentern angeboten wird, Torf enthält, der Moorflächen entnommen wird, wo er bzgl. klimatischer Verhältnisse sogar mehr CO2, Methan und andere Treibhausgase binden kann als Bäume und Pflanzen. Mustafa findet das unglaublich und will bald mal die Moore hier besuchen. Marinette bemerkt, dass befeuchtete Lehmkugeln schnell trocknen, was ihren Transport erleichtert. Karin gesteht, nicht zu begreifen, warum Gärtner*innen Erde kaufen, obwohl ihre Aufgabe doch eher darin bestehen sollte, Erde zu machen.

Im Anschluss führt Karin uns zum nahegelegenen Sprudler. Dort teilt sie uns mit, dass dieser die Aufgabe hat, Eisen aus dem Grundwasser zu filtern und es in den Teufelssee zu pumpen, um ihn zu vernässen. Seit 1873 wurde auf dem Gelände des heutigen Ökowerks Grundwasser zu Tage befördert, um die Versorgung westlicher Teile Berlins mit dieser Ressource zu gewährleisten. Heute sei es wichtiger denn jemals zuvor, auch die Pegelstände der nahe gelegenen Moore als CO2-Speicher wenigstens zu halten, was wegen der kontinuierlichen Grundwasserabsenkung nicht leicht ist. Obwohl das Wasserwerk seine Tätigkeit dann schon längst eingestellt hatte, ist der Wasserverlust des Teufelssees  nach der Stillegung des Wasserwerks 1969 stärker vorangeschritten als jemals zuvor. Karin erzählt uns von den hiesigen Fröschen und Molchen. Sie erläutert, inwiefern Moore Lebensräume für Amphibien sind, die sich im Winter in sie eingraben und im Frühjahr offene Wasserflächen brauchen. Je nach Art stellen sie dann unterschiedliche Ansprüche an die Beschaffenheit der Uferzonen und an ihre Sommerquartiere.

Bevor wir uns in den unterirdischen Reinwasserspeicher begeben, sprechen wir über die vergangene Praxis, Stangeneis zum Kühlen von Lebensmitteln zu verwenden. Dann führt uns Karin in ein halliges Gewölbe, das dem Wasserwerk damals als Reinwasserbehälter diente. Es ist sehr kühl, eigentlich sogar kalt. Die Akustik dort unten ist beeindruckend. Sallaheddin bereut es, seine Querflöte zu Hause gelassen zu haben. Er würde sie gerne in diesem Raum spielen. Ali fallen kleine, hoch gelegene Fenster auf, hinter denen Dunkelheit liegt. Karin teilt uns mit, dass es drei solcher Gewölbe gibt. Vonseiten des Ökowerks bestehe der Plan, zumindest einen von ihnen bald als Eisspeicher zu nutzen. Wenn Wasser zum Gefrieren gebracht wird, entsteht Energie, fügt sie hinzu, bevor wir uns wieder die Treppe hinauf ins warme Tageslicht begeben. Oben angekommen fragt Karin, was wir noch sehen wollen, bevor das Ökowerk für heute schließt. Zubaida hat dessen Internetseite studiert und weiß, dass dies um 18:00 der Fall sein wird.

Wir entscheiden uns dazu, zunächst das Maschinenhaus zu besichtigen, um am Ende in den Sandfilter zu gehen, wo früher das vom Wasserwerk nach oben gepumpte Wasser gereinigt wurde. Im Maschinenhaus weist uns Karin darauf hin, dass hier vier alte Dampfmaschinen stehen, deren Betrieb ein älterer ihrer ehemaligen Kolleg*innen noch erlebt hätte, bevor sie vor rund einem halben Jahrhundert stillgestellt wurden. Eine davon ist ein Original der Firma Wöhlert aus dem Jahre 1871. Am Ende begeben wir uns in einen der ehemaligen vier Sandfilter, in dem großformatige Reproduktionen alter Fotographien vom Beginn des 20. Jahrhunderts an den Wänden hängen. Sie zeigen Männer, die mühsam Sand schaufeln, der als Filter für das mit dem Luftsauerstoff ausgefällte Eisen diente, um das Wasser zu reinigen, das anschließend in Berliner Haushalten verbraucht wurde.

Ökowerk – Ökowerk (oekowerk.de)




KliK-Workshop 4: „Mobilitätswende und gesellschaftlicher Wandel“

von Luise Flade und Simon Wöhr

(paper planes e.V. und Reallabor Radbahn e.V.)

20.2.2023

Modul 6 ­- Verkehrswende und nachhaltige Mobilität 

Es ist windig und regnet in Strömen. Am Himmel ziehen graue Wolkenfronten vorbei. An den Hinweisschildern zur Radbahn unter den Gleisen der U1 und U3 nahe Görlitzer Bahnhof treffen wir Luise. Zunächst führt sie uns durch das Testgelände der Radbahn in Richtung Kottbusser Tor, bevor ihr Kollege Simon uns in den Räumlichkeiten von Paper Planes und Reallabor Radbahn mehr über deren Aktivitäten erzählen wird. Luise will wissen, mit welchen Verkehrsmitteln wir angereist sind. Nachdem wir diese Frage beantwortet haben, meint sie, dass in Berlin mehr Leute Fahrrad fahren als im bundesdeutschen Durchschnitt und erklärt Details der geplanten Radbahn. Die Infrastruktur für Radfahrer*innen in Städten wie Amsterdam sei weiter entwickelt als in Berlin, weshalb sie in der Mobilitätswende eine Vorreiterrolle übernehmen.

Wir laufen in Richtung Kottbusser Tor. Dabei stellen wir fest, dass nicht nur überall geparkte Autos stehen, sondern Autofahrer*innen den Bereich unter der Bahntrasse auch nutzen, um den Stau auf der Skalitzer Straße links und rechts davon zu umgehen. Es ist Berufsverkehr. Wiederholt müssen wir Platz machen. Luise merkt an, dass die Radbahn ein Projekt des nationalen Städtebaus ist. Bald wird es zwischen Görlitzer Bahnhof und Kottbusser Tor eine mehrmonatige Testphase geben, während der die Strecke für Autos gesperrt und nur Radverkehr zulässig sein wird. Daneben sollen andere Dinge ausprobiert werden, etwa, ob es möglich ist, kanalisiertes Regenwasser für Büsche und Hecken auf beiden Seiten der Radbahn zu nutzen und welche Beleuchtungsarten sich im Praxistest bewähren.

Insgesamt beinhaltet das Radbahnprojekt nicht nur Ideen zur Verbesserung der Situation von Radfahrer*innen zwischen Oberbaumbrücke und Bahnhof Zoo. In Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen unterschiedlicher Kieze soll es ebenfalls zu einer positiven Veränderung des Stadtraums insgesamt beitragen. Das Konzept der Radbahn beruht auf einem Partizipationsverfahren und findet in Kooperation bspw. mit Gewerben vor Ort statt. Vinh fällt auf, dass sich direkt neben uns eine Fahrradwerkstatt befindet. Er stellt sich vor, dass im Falle einer Realisierung der Radbahn weitere entsprechende Geschäfte entlang der Strecke geöffnet werden könnten. Luise ergänzt, dass auch gärtnerisches Wissen gebraucht würde, um die noch zu bauende Bahn über neun Kilometer hinweg zu begrünen. Zunächst seien jedoch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden. So gilt es, u.a. Taubenlobbys, die in der Radbahn eine Bedrohung für die von ihnen geschützte Tierart sehen, von dem Vorhaben zu überzeugen.

Während wir die Strecke ablaufen, erzählt uns Valentina, dass sie sich lange mit dem Fahrrad durch die Stadt bewegt habe, dies aufgrund des aggressiven Fahrstils mancher Radler*innen in Berlin jedoch vor ein paar Jahren aufgegeben habe. Das findet Luise schade. Sie meint, dass sie selbst zwar gerne zügig Fahrrad fahre. Es sei jedoch ein Problem, dass im Straßenverkehr nicht ausreichend Rücksicht aufeinander genommen wird. Valentina fragt, wie sich das Problem der Straßenkreuzungen lösen ließe. Immerhin würde die geplante Radstrecke immer wieder von anderen, quer verlaufenden Strecken gekreuzt. Luise erwidert, dies sei eine Herausforderung, die sich durch neue Ampeln usw. bewältigen ließe.

Auf Luises Frage hin, welche Wünsche zur konkreten Gestaltung der Radbahn wir haben, macht Vinh den Vorschlag, zu beiden Seiten eine Schlemmermeile mit To-Go-Snacks und -Getränken zu etablieren. Später möchte Luise hören, was wir gerne auf und entlang der Strecke tun würden, um den Stadtraum anders zu nutzen. Sallaheddin denkt an Flohmärkte und Straßenfeste. Außerdem will er die Betonpfeiler unter der U-Bahn bunt bemalen. Valentina kommen Straßensketche in den Sinn. Luise ist sich sicher, dass immer Unerwartetes geschieht, wenn neue Räume entstehen. Sie sagt, dass es bereits vor der Eröffnung der temporären Teststrecke im Sommer am 1. April eine Feier geben soll, nach der die Radbahn für ein paar Wochen von einer Lichtinstallation beleuchtet sein wird. Außerdem sollen Podiumsdiskussionen stattfinden.

Nun brechen wir in Richtung der Räumlichkeiten von Reallabor Radbahn und Paper Planes in der Forster Straße auf. Auf dem Weg dorthin stoßen Bamba und Rodrigue zu uns. Es ist noch immer nasskalt und windig. Zum Glück hat es wenigstens aufgehört zu regnen. Im sogenannten Forsthaus begrüßt uns Simon. Er und Luise stellen Tee, Wasser und Säfte bereit. Wir nehmen an einem Konferenztisch Platz, auf dem ein uns zugewandter Flatscreen architektonische Skizzen zeigt. Dahinter beginnt Simon, seinen Vortrag zu weiteren Aspekten der geplanten Radbahn zu halten. Durch die darüber liegende Bahntrasse würden Radfahrer*innen vor Regen geschützt sein. Prägend für die Vision der Radbahn sei von Anfang an die Frage gewesen, was die Straße als öffentlicher Raum ist. Simon interessiert, was unser Eindruck wäre, wenn anstatt Autos Kühlschränke auf den Straßen geparkt würden. Alle lachen. Er erklärt uns, dass Autos streng genommen keine Fahr-, sondern Stehzeuge sind, da sie meistens geparkt und nicht bewegt würden. So gehe öffentlicher Raum verloren, der besser genutzt werden könne, etwa für nachbarschaftliche Tafeln. Sallaheddin rechnet uns vor, dass die weltweite Menge an Autos ausreiche, um den gesamten Planeten mehre Male zu umspannen.

Im Anschluss erläutert Simon, dass die auf die Charta von Athen (1933) folgende Segmentierung der Städte u.a. in Wohn- und Arbeitsviertel die Dominanz von Autos im öffentlichen Raum begünstigt habe. Gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der Technischen Universität Berlin hat Paper Planes ein Buch veröffentlicht, in dem es um Alternativen zu dieser Tendenz geht: Im Manifest der freien Straße, das neben anderem Informationsmaterial auf dem Tisch vor uns ausliegt, sind entsprechende Gedanken formuliert worden. Der Verein will mit nachbarschaftlichen Initiativen zusammenarbeiten und die Bedarfe verschiedener Gesellschaftsschichten einbeziehen. So organisiert Paper Planes etwa Versammlungen und andere Events, um nebeneinander lebende Bürger*innen miteinander in Kontakt zu bringen und gemeinsam zu diskutieren, wie wir die Stadt bewohnen und uns in ihr bewegen wollen.

Den Abschluss des heutigen Workshops bildet eine offene Diskussionsrunde über die Inputs, die Luise und Simon uns gegeben haben. Stefan hofft auf eine Stärkung nachbarschaftlicher Netzwerke durch den Rückgang an Autos. Simon berichtet von einer Aktion, in deren Rahmen Tischtennisplatten auf gesperrten Parkplätzen vor den Vereinsräumen installiert wurden, die für ein paar Wochen nicht nur Kinder und Jugendliche zum Verweilen einluden.

Sophie unterstreicht, dass sich bereits durch wenige wegfallende Parkplätze viele neue Gestaltungsoptionen des Stadtraums auftun könnten. Irgendwann will Simon wissen, wer von uns ein Auto hat, was fast alle verneinen. Thanh gesteht, er fahre seit Kurzem wieder eines, was ihm ein schlechtes Gewissen bereitet, worauf Simon für Car Sharing plädiert. Als wir später die noch immer windige Stadt betreten, meinen wir, sie mit anderen Augen zu sehen.

Paper Planes e.V. / Reallabor Radbahn e.V.




KliK-Workshop 3: “Kolonialismus und Klimakrise”

von Dodo und Laura Bechert

19.1.2023

Modul 1 ­- Grundlagen 

Unser erster Workshop im neuen Jahr fand online via Zoom statt und wurde von zwei der drei Autor*innen einer Broschüre, die von der BUNDjugend herausgegeben wurde, geleitet. Er wurde zwar teilweise akustisch mitgeschnitten, das so entstandene Material darf jedoch nicht veröffentlicht werden. Der einleitende Teil der Präsentation von Dodo und Laura zur historischen Verschränkung von Kolonialismus und Klimakrise durfte nicht aufgezeichnet werden, wird hier aber kurz zusammengefasst. Zunächst erklärten die Workshopleiter*innen, dass der Klimawandel nicht erst, wie oft angenommen, mit der Industrialisierung begann, sondern mit der gewaltvollen Eroberung anderer Kontinente durch Europa seit Mitte des 15. Jahrhunderts. Beim europäischen Kolonialismus handelt es sich um ein sozio-ökologisches Welt- und Gesellschaftsbild, das unter anderem über Jahrhunderte hinweg zur Unterdrückung und/oder Vernichtung unzähliger Wissenssysteme sowie der Ausbeutung von Menschen und “Natur” führte. Rassismus als gesellschaftliches Ordnungsprinzip sprach kolonisierten Menschen dabei ihr Menschsein ab. Auch die Vorstellung einer Natur, die von Menschen losgelöst sei und als Ressource ausgebeutet wurde, hängt mit diesen gewaltsamen Prozessen zusammen.

Dodo und Laura verwiesen darauf, dass die heutigen globalen Machtstrukturen über Jahrhunderte hinweg im Zuge des europäischen Kolonialismus aufgebaut wurden. weiße Kolonisator*innen zogen ungeachtet bestehender Verhältnisse Grenzen und teilten so die Welt in Länder ein, wie wir sie heute kennen. Die ehemaligen Kolonien werden heute oft als Länder des Globalen Südens bezeichnet, da sie sich global betrachtet in einer wirtschaftlich und politisch benachteiligten Position befinden. Im Gegensatz dazu befinden sich Länder des Globalen Nordens bis heute durch Ausbeutung in einer privilegierten Position. In den Ländern des Globalen Nordens ist es bspw. selten gefährlich, sich gegen Klimazerstörung einzusetzen, während es in vielen Ländern des Globalen Südens lebensbedrohliche Risiken mit sich bringt. Diesbzgl. zeigte Laura mehrere Portraits von BIPoC, die den meisten Teilnehmenden zunächst unbekannt waren und erläuterte, dass sie in Nigeria, Honduras, Kolumbien und Ägypten im Kampf für Menschenrechte und gegen Umwelt- und Klimazerstörung entweder ihre Freiheit eingebüßt oder mit dem Leben bezahlt hätten.

Klimaschutz ist etwas anderes als Klimagerechtigkeit, so Laura. Während Klimaschutz oft bestimmte Privilegien erfordert und die vielen sozialen Facetten der Klimakrise ausblendet, fokussiert das Konzept der Klimagerechtigkeit die kolonialgeschichtlichen Aspekte von Umweltfragen, wie sie bspw. in den 2002 formulierten Bali Principles of Climate Justice enthalten sind. Dodo nahm diesen Faden auf und meinte, dass der aktuelle Klimawandel das Ergebnis kolonialer Ausbeutungsprozesse ist und als soziales Problem betrachtet werden muss, das sich nicht rein technisch, sondern nur politisch lösen lässt.

Um diesen Punkt zu verdeutlichen, präsentierte Dodo zwei Zitate nicht-weißer Aktivist*innen: Das von Daphne Frias las Valentina vor, das von Francia Márquez wurde von Sallaheddin vorgetragen. Daran anschließend betonten die beiden Workshopleiter*innen, dass Klimagerechtigkeit nur zu erreichen ist, wenn die Länder des heutigen Globalen Nordens Verantwortung für ihre kolonialgeschichtlichen Verbrechen übernehmen. Dies geht weit über Klimaschutz und den Glauben an E-Mobilität hinaus und erfordert, wie Laura ausführte, eine kritische Reflektion auf die eigene Positionierung v.a. weißer Menschen, die sich allzu oft als Retter*innen verstehen, ohne die gesellschaftlichen Dimensionen der Klimakrise zu erkennen. Danach tauschten wir uns in Breakout-Räumen und kleineren Gruppen zu der Frage aus, wie sich als Klimabotschafter*in das komplexe Problem der Klimagerechtigkeit behandeln lässt, was zwischen Ali, Sallaheddin und Stefan zu Debatten über Europa und den Rest der Welt führte, bevor die Breakout-Session beendet wurde und wir kurz Marie Antoinettes Erzählung über Deutschlands koloniale Spuren im heutigen Kamerun verfolgen konnten.

Die abschließende Diskussion mit allen wurde auf Wunsch der Workshopleiter*innen wieder nicht aufgezeichnet. Auf Lauras Frage hin, was in den jeweiligen Breakout-Räumen besprochen wurde, stellte Lidia fest, dass wir alle im Alltag etwas tun können, etwa durch die Vermeidung von Plastik. Umweltbewusstsein müsse in kleinen Schritten entwickelt werden. Bamba unterstrich die Bedeutung von Sensibilisierungsprozessen. Valentina merkte an, dass Klimaschutz vor der eigenen Tür beginnen müsse. Sallaheddin thematisierte das Zusammenspiel so unterschiedlicher Institutionen wie Schulen und Medien im Kontext der Umweltbildung. Marie Antoinette kritisierte, dass Klimaschutz letztlich nur ein Wort sei. In Kamerun hätten die Menschen mit anderen Problemen zu kämpfen als in Deutschland. Valentina berichtete vom wegschmelzenden Permafrost in Sibirien. Marinette beschrieb die Kooperation internationaler Konzerne mit korrupten Regierungen im Globalen Süden und forderte realisierbare Lösungen. Hierfür müssten die egoistischen Motive v.a. Europas zurückgenommen werden. Vinh sagte, es sei manchmal erforderlich, mit etwas anzufangen, ohne eine Orientierung zu haben. Er selbst weigere sich bspw., Kaffee-Kapseln zu kaufen. Rodrigue forderte, mehr Fahrrad zu fahren, um dem drohenden Klimakollaps individuell etwas entgegenzusetzen.

Am Ende boten Dodo und Laura eine Feedback-Runde an, in deren Rahmen Elizabeth den Wunsch äußerte, Workshops dialogischer zu gestalten. Insgesamt jedoch waren alle sehr zufrieden mit der Veranstaltung, die uns, wie Ali es beschrieb, ernsthaft zum weiteren Nachdenken inspiriert hat.

Broschüre „Kolonialismus & Klimakrise. 500 Jahre Widerstand“ von Laura Bechert, Dodo und Shaylı Kartal (Hrsg.)



KliK-Workshop 2: “Ökologische Stadtplanung”

von Dr. Rosalina Babourkova

(Futurium)

8.12.2022

Modul 1 ­- Grundlagen 

Nachdem wir die hinter einer imposanten Glasfassade gelegenen Innenräume des Futuriums betreten und unsere Jacken und Taschen in Schließfächern verstaut haben, begrüßt uns am Infopoint im geräumigen Foyer Dr. Rosalina Babourkova. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ausstellungsteam und hat bereits vor der Eröffnung des Museums für Zukünfte im Jahre 2019 an dessen Konzeption mitgewirkt. In ihrer Einleitung sagt sie, dass ihr Spezialgebiet nachhaltige Stadtentwicklung ist – ein Thema, um das sich auch viele Exponate hier drehen. Das Futurium ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das größtenteils durch öffentliche Gelder finanziert wird und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angestoßen wurde. Ziel dieser Einrichtung ist es, Wissenschaft, Kultur, Politik und die zivile Öffentlichkeit zusammenzubringen, um gemeinsam und multiperspektivisch über Zukunftsfragen nachzudenken.

Rosalina führt uns eine Treppe hoch zu einem Tisch, auf dem Armbänder bereitliegen, mit denen die Besucher*innen mit manchen Exponaten interagieren können und die als Informationsschlüssel dienen. Nachdem wir alle ein solches Band an uns genommen und erfahren haben, dass die Ausstellungsräume des Futuriums entlang der drei Themenstränge „Natur“, „Technik“ und „Mensch“ kuratiert sind, beginnt Rosalina ihren Workshop im Bereich „Natur“ mit Ausführungen zu der Frage, wie auf dem Feld der Stadtplanung aktuell Anpassungen an die Klimakrise stattfinden. Weil damit zu rechnen ist, dass die Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen und regionale Überschwemmungsgefahren wachsen werden, sind Wissenschaftler*innen schon jetzt damit befasst, bspw. in New York künstliche Austernbänke zu errichten, die zugleich als Schutzwall gegen Wassermassen und der Fischerei dienen. Ebenfalls wird es zukünftig immer wichtiger werden, im urbanen Raum Nahrung zu produzieren. Diesbzgl. gibt es etwa in London Firmen, die in ehemaligen Luftschutzbunkern oder stillgelegten U-Bahnschächten unter der Erde Kräuter und Gemüse anbauen.

Anhand eines anderen Exponats erklärt Rosalina im Anschluss, dass auf dem Feld nachhaltigen Bauens nach Wegen gesucht wird, vom Beton zu anderen Materialien zu wechseln. Vor uns steht ein massiver Block, der Zement ähnelt, aber aus Pilzwurzeln besteht, die sich durch Abfälle gefressen haben und dann durch hohe Hitzeeinwirkung verfestigt wurden.

Anstatt Stahl ließe sich auch wieder Bambus als Trägermaterial für zukünftige Gebäude verwenden, erläutert Rosalina. Daraufhin bemerkt Sallahaddin, dass traditionelle Lehmbauten im Orient sehr viel ökologischer waren als diejenigen, die später aus Beton errichtet wurden. Valentina will mehr über Myzele erfahren, woraufhin Rosalina uns in den nächsten Raum geleitet.

Hier geht es um alternative Energien. Nicht nur aus Wind und Sonne lässt sich Energie gewinnen, sondern auch aus den Zersetzungsprozessen von Pilzkulturen, die sogar Gestein auflösen können. Wir befinden uns jetzt im Themenkomplex „Technik“. Im Hintergrund reden Roboter. An den Wänden zeigen Projektionen Bilder von Daten und Genen. Rosalina kündigt an, ihren Fokus hier auf das Thema Mobilität der Zukunft richten zu wollen. In einem weiteren Raum zeigt sie uns ein Spiel, bei dem es anhand der Frage „Findest du das gut oder schlecht?“ um die Ambivalenz neuer Technologien geht, die immer sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Auf jeden Fall müssten wir von Autos wegkommen. In Ländern wie Bolivien und Kolumbien kommen bereits Seilbahnen als öffentliche Verkehrsmittel zum Einsatz und sogar in Deutschland wird zu Flugtaxen geforscht. Am besten wäre es jedoch, insgesamt weniger mobil zu sein.

Unsere nächste Station ist dem Themenkomplex „Mensch“ zugeordnet. Rosalina erklärt in der weit auslaufenden Ausstellungshalle zunächst Grundprinzipien der solidarischen Landwirtschaft und weist darauf hin, dass es gerade in und um Berlin zahlreiche Projekte gibt, die sich der sozialen und nachhaltigen Nahrungsproduktion verschrieben haben. Insgesamt sei es wichtig, auch im Kontext der Ernährung Transportwege zu verkürzen. So können etwa auch Hausdächer in Großstädten für den Anbau von Gemüse verwendet werden. In einer kleinen Kammer sehen wir danach eine Berlinkarte. Auf ihr dürfen Besucher*innen ihre persönlichen Visionen und Wünsche bzgl. möglicher zukünftiger Entwicklungen der Bundeshauptstadt eintragen. Bevor wir uns in einem über der Ausstellungsfläche gelegenen Konferenzraum versammeln, um dort unser Netzwerktreffen abzuhalten, präsentiert Rosalina noch ein paar Ausführungen zu ökologischen Nebeneffekten des Konsums. An einer Wand im ersten Stock des Futuriums finden sich diesbzgl. Zettel mit Notizen von Besucher*innen, die hier aufgeschrieben haben, worauf sie in ihrem Konsumverhalten verzichten würden, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Der Workshop endet mit einer offenen Fragerunde, in der nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch neue Fragen aufgeworfen werden.

Futurium